610. Der Tannenberg bei Boizenburg.

[437] Nahe bei Boizenburg liegt der Kreuzberg, früher Tannenberg geheißen. Er gehört jetzt zum Kirchhof, früher (vor fünfzig Jahren) lag er wie der zu seinem Fuße liegende Garten neben dem Kirchhof und war durch eine Mauer von demselben geschieden. Der Berg, der oben geebnet war, und der Garten waren oft Schauplatz üppiger Gelage, denn die Boizenburger waren sehr reich. Wie es nun einmal wieder recht gottlos da droben zuging, sahen Einige, die in der Mitte des Gartens unter einem Kirschbaum Karten spielten, plötzlich zwischen den Blättern eine Gestalt, die auf sie herabblickte. Erschreckt entfliehen sie nach ihren Häusern. Seitdem ist der Platz nicht wieder benutzt, sondern von dem Besitzer verkauft worden und gehört seitdem zum Gottesacker.


Seminarist H.W. Novellistisch ausgeschmückt bei Niederh. 1, 105. Ebenda 1, 179, in treuerem Anschluß; die Gestalt auf dem Baume streicht die Fiedel, worauf die Gräber des Kirchhofs sich öffnen und die Todten zu tanzen beginnen.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 437.
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