625. Räuber auf Schloß Pleez.

[448] Ein armer Junge aus Friedland, der seine Eltern früh verloren hatte, ward von einer Räuberbande, die in einem benachbarten Walde hauste, aufgegriffen und in ihre Höhle geschleppt. Als die Räuber ihn schlafend glaubten, beriethen sie unter sich einen Raubmord gegen den Ritter von Bertikow auf Schloß Pleez. Der Knabe sollte vorausgehen, sich in das Schloß schleichen und ihnen von innen öffnen. So geschah es auch, aber der Knabe hatte doch noch Zeit gefunden, eine alte Dienerin zu benachrichtigen, die dann Alles im Schlosse weckte, so daß die eindringenden Räuber überwältigt und in einen Thurm geworfen wurden, der im Schloßgraben stand. Am andern Morgen ging der Knabe an dem Thurm vorbei und fühlte sich unwiderstehlich festgehalten. Er sah, wie von unsichtbarer Hand ein in einen weißen Zettel gewickelter Stein in den Thurm geworfen wurde. Als man den vermißten Knaben endlich beim Thurme[448] fand, erzählte er, was geschehen und was er gesehen. Der Ritter ließ den Thurm durchsuchen, endlich fand man den Zettel unter der Zunge des Hauptmanns. Darauf stand, daß der Falkonier des Ritters des Nachts die Räuber befreien wolle. Um den armen Knaben aus der Zaubergewalt des Räuberhauptmanns zu befreien, berief man den Geistlichen. Dieser wußte die Räuber durch die Kraft seiner Worte zu bewältigen, so daß ihm der Zaubermantel des Räubers ausgeliefert wurde. Denselben tauchte der Geistliche dreimal unter Gebeten in den Schloßteich und beim drittenmale war der schwarze Mantel schneeweiß geworden. Darauf legte der Pfarrer den Mantel nochmals aufs Wasser. Er versank jetzt in die Tiefe und ein bläulichrothes Flämmchen schwebte aus demselben empor. Der Knabe war nun entzaubert und lebte noch viele Jahre auf Schloß Pleez.


Niederh. 4, 107 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 448-449.
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