626. Der Musikant in der Wolfsgrube.

[449] In dem Dorfe D. war vor Zeiten eine Grube, die in späteren Zeiten zu Acker gemacht wurde, welche von den Bewohnern zum Wolfsfange gegraben war. Ein Musikant war in der Nacht von einem benachbarten Orte, wo er musicirt hatte, gekommen, und hatte sich so unglücklich verirrt, daß er in die Wolfsgrube gerieth, in der sich schon ein Wolf befand. Derselbe setzte sogleich auf ihn an. In Todesangst griff der Musikant zu seiner Geige und spielte dem Wolfe vor, was ihm einfiel. So lange er spielte, hörte der Wolf ruhig zu; sobald er aber still hielt, wollte er auf ihn eindringen. Dieses Spiel dauerte so lange, bis der arme Musicus alle Saiten abgegeigt hatte und ihm nur noch die Quinte übrig blieb. Mittlerweile brach der sehnlich erwartete Morgen an. Die Wolfsfänger kamen und befreiten den Musikanten aus seiner furchtbaren Lage.


Stud. A. Reimers in Rostock, nach Erzählung eines Schullehrers aus der Gegend von Warnemünde; vgl. Schwartz 46.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 449.
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