629. Ritter Eber.

[451] Der von Goldenbow nach dem 1/4 Meile von dort entfernten Kirchdorfe Camin führende Communications- und Kirchenweg durchschneidet, etwa in der Mitte zwischen beiden Ortschaften, eine Wiese, die, zum Caminer Hofe gehörend, sich merkwürdig gleich einem Viereck in das Goldenbower Gebiet hinein erstreckt. Die Sage behauptet, daß die Wiese ursprünglich nicht zu Camin gehört hat, sondern auf unrechtmäßige Weise durch einen früheren Besitzer von Camin an sich gebracht worden. Ein Ritter, Eber oder Eberhard, der auf Camin saß, benutzte die Abwesenheit seines Nachbarn, des Ritters Henrich auf Goldenbow, der auf einer Kriegsfahrt mit dem Herzog von Meklenburg begriffen war, um in einer Nacht eine Strecke des alten Scheidegrabens zuzuwerfen, einen neuen zu ziehen und den Grenzstein zu verrücken, wodurch jene Wiese in seinen Besitz kam. In der folgenden Nacht wollte er das fortsetzen, aber unerwartet schnell kam sein Nachbar zurück. Dieser stellte den Ritter darüber zur Rede und es kam, da derselbe leugnete, die Sache vor Gericht und zum Eide. Ritter Eber schwur einen Meineid und ward dadurch rechtmäßiger Besitzer der Wiese.

Nach seinem Tode fand er keine Ruhe im Grabe. Noch jetzt läßt er sich hier und dort sehen. Alle Johanni zu Mittag erscheint[451] er auf der Wiese, in der Kleidung seiner Zeit, in Barett und blauem Atlasgewande, mit langer Schleppe und gefolgt von den Geistern seiner Nachkommen. Alle umwandeln die Wiese, besichtigen den Grenzstein, ob er noch unverrückt steht und verschwinden dann wieder.


Niederh. 1, 150 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 451-452.
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