635. Der Todtschlag bei Friedland.

[456] Am Landwege zwischen Neumühle und Gahlenbeck bei Friedland befindet sich ein hoher, aus Sträuchern, Rasenstücken und Steinen gebildeter Haufen, unter dem ein hier vor langen Jahren ermordeter armer Handwerksbursche ruht. Derselbe hatte nämlich im Kruge zu Gahlenbeck scherzhaft geäußert, daß er hundert und einen Groschen in der Tasche habe; er meinte nämlich mit dem hundert sogenannte Stahlzwicken, die er nebst seinem einen Groschen bei sich führte, denn er war ein ehrlicher Schustergeselle. Zwei dort gerade anwesende Strolche glaubten nun, daß der Handwerksbursche hundert Thaler und einen Groschen in der Tasche habe; deshalb schlichen sie ihm nach, als er weiter reiste, und ermordeten ihn auf der bezeichneten Stelle. Doch arg wurden sie enttäuscht, als sie in der Tasche des armen Gesellen statt der erwarteten hundert Thaler nur hundert Stahlzwicken und einen Groschen fanden. Jeder der vorübergehenden schlichten Landleute hält es nun für eine heilige Pflicht, entweder einen Strauch, ein Stückchen Rasen oder einen Stein auf des Handwerksburschen Grab zu werfen, damit der Geist des Erschlagenen, der hier in nicht geweihter Erde schlummert, Ruhe habe.


Niederh. 4, 212 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 456.
Lizenz:
Kategorien: