88. Unterirdische im Petersberg.

[80] Vor Zeiten wohnten die Unterirdischen in dem sogenannten Petersberg, welcher nahe an dem Dorfe gleichen Namens liegt. Sie verkehrten zuweilen mit den Menschen, backten bei ihnen und holten sich, wenn diese gebraut hatten, von ihnen Bier, spielten ihnen aber auch oft allerlei Schabernack.

Der alte Kirchenjurat, Hauswirth Schult in Petersberg, erzählt: Die Unterirdischen holten aus dem Kruge zu Pinnow ihr Bier[80] und entsandten dahin einen der Ihrigen mit einer kleinen silbernen Kanne. Wenn diese gefüllt war, legte der Bote stets auf das Faß ein Stück Geld, ehe er sich entfernte. Eines Tages war dies wieder der Fall, da ging zufällig ein Petersberger nach Pinnow, welches nur einige hundert Schritt von seinem Wohnorte entfernt war, als einer jener Bergbewohner zu ihm kam und zu ihm sagte ›Wenn du nach Pinnow gehst, so sage Hanna, Sanna sei gestorben, sie solle heimkehren.‹ Der Mann richtete seinen Auftrag aus, da wurde ein Sausen und Brausen, ein Jammern und Wehklagen vernommen und der Bote oder die Botin verließ das Haus, ließ aber die kleine silberne Kanne zurück und holte sie auch nie wieder. Sie soll sich lange in der Familie des Krügers befunden haben.

Derselbe erzählt: Ein anderesmal ritt ein Bauer nach der nahen Godern'schen Mühle und kehrte spät in der Nacht zurück. Als er beim Petersberg vorbeikam, der nahe an seinem Weg liegt, sah er die Unterirdischen dort tanzen und allerlei Kurzweil treiben. Er rief ihnen zu ›Was macht ihr hier, ihr kleinen Schieldinge?‹ Aber kaum hatte er diese Worte gesprochen, so fuhr die ganze Schar auf ihn los und er konnte sich nur retten, indem er sein Pferd zu raschem Lauf antrieb und nach einer Stelle jagte, wo sich Flachsland befand, auf dem er, wie er wußte, gegen Verfolgung sicher war.

Als die Unterirdischen dies Land verließen und nach der Türkei zogen, da kam zum Fährmann an der Schweriner Fähre eines Tages ein Unterirdischer und fragte denselben, ob er so und soviel überfahren könne. Er bejahte diese Frage und hörte dann ein Rascheln und Flüstern, sah aber nichts. Er fuhr nun auf Befehl nach der andern Seite der Stör, die hier aus dem Schweriner See hervorkommt, hinüber, und als er am andern Ufer war, da fragte ihn sein Auftraggeber, ob er nun auch sehen wolle, wen er gefahren habe. Auf seine Bejahung befahl der König, denn dieser war es, der ihm sichtbar war, er solle ihm auf den linken Fuß treten und über die rechte Schulter sehen. Das that nun der Fährmann auch und nun sah er am Ufer Kopf an Kopf, Hunderte und wohl Tausende jener kleinen Wesen stehen.

Merkwürdig ist, daß der Petersberg mit dem Familiengeiste des Meklenburgischen Fürstenhauses, dem Petermännchen in Schwerin,[81] in Verbindung gebracht wird, denn es wird hier erzählt, dieses habe seine eigentliche Wohnung in jenem Berge gehabt, sei aber in einer Nacht durch die Luft nach Schwerin hinübergezogen und habe sich im Schloß daselbst angesiedelt.


Präpositus Schenke in Pinnow bei Schwerin.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 80-82.
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