91. Zwerge auf der Feldmark von Malchow.

[85] Früher standen auf der Feldmark bei Parchim in der Nähe des Dorfes Malchow, an dem Wege nach Parchim, drei mächtige Eichen. Jahrhunderte hatten sie schon gestanden, und ebenso lange waren sie auch schon der Sitz von drei Zwergen gewesen, welche, so oft sie Abends spät oder Morgens frühe durch Fuhrwerk beunruhigt wurden, aus ihren Wohnungen, den drei Eichen, hervorkamen, auf die Wagen sprangen und sich bis ans Dorf oder umgekehrt bis an die Grenze der Feldmark fahren ließen. Die Wagen mochten leicht beladen oder ganz leer sein, sobald die drei Männlein auf denselben saßen, schnitten die Räder hinein in den Sand, wie ein schwer beladener Heuwagen in den weichen Wiesengrund, und die Pferde dampften bald als wenn sie Mühlensteine zögen. So selten es einem Malchower auch begegnete, da er soviel wie möglich alle Verrichtungen vor einbrechender Dunkelheit abmachte, so geschah es doch zuweilen fremden Fuhrleuten, welche diese Stätte nicht kannten und nichts von den drei Männlein gehört hatten. Zu solchen Leuten gehörten auch zwei junge Garwitzer Knechte, welche an einem dunklen Herbstmorgen mit einem Fuder Korn nach Parchim wollten. Sie waren bei den drei Eichen angekommen, als einer der Knechte bei denselben zuerst einen, dann zwei und endlich drei kleine Männer, angethan mit grauer Hose, rother Jacke und bunter Troddelmütze, gewahrte, der andere, darauf aufmerksam gemacht, sah bald dieselbe Erscheinung. Sie trieben ruhig die sich bäumenden Pferde weiter und beschlossen, sich muthig zu wehren, es möge kommen, was da wolle. Noch war er nicht zur Abwehr völlig vorbereitet, als schon die drei Männer auf dem[85] Wagen saßen und die vier Pferde vor demselben stampften, keuchten und dampften, als wenn noch drei eben so schwere Wagen dahinter angehängt wären. Während der Fuhrmann auf die Pferde einhieb, sie vorwärts zu bringen, schrie der andere Knecht auf dem Wagen ›Ei wat, Hinnerk, wat sleist du dor, hir kumm her un slah!‹ mit welchen Worten er seinen ›Kreuzdornen‹ wacker auf die fremden Gestalten fallen ließ. Diese, so mächtig sie sonst auch waren, waren gegen eine Waffe von Kreuzdorn schwach wie ein Kind; sie flohen eilig vom Wagen und haben es von hier an nie wieder gewagt, den Menschenkindern auf die Wagen zu steigen. Ihre Wohnung, die drei Eichen, haben die Zwerge aber lange noch nicht verlassen; noch oft sind sie dort von des Abends spät hütenden Pferdejungen gesehen worden in ihrer bunten Kleidung und haben sich die Neckereien derselben gefallen lassen müssen, da sie wohl wußten, mit welchen Mitteln sie zu überwältigen waren. Erst mit dem Abnehmen der Eichen sind die drei Männchen gänzlich verschwunden und von keines Sterblichen Auge wieder gesehen worden.


J.J.F. Giese bei Niederh. 3, 174 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 85-86.
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