654. Der Nagelschmied in Neubrandenburg.

[464] In Neubrandenburg war einmal ein alter Nagelschmied, der ein gotteslästerliches Leben führte und sich einst beim Trinken rühmte, daß er sich vor Gott und Teufel nicht fürchte und kein Grauen kenne. Um das zu beweisen, vermaß er sich, in einer Winternacht beim Beginn der Geisterstunde in ein ihm bezeichnetes Grab einen Nagel einzuschlagen. Er begibt sich auf den Kirchhof der Marienkirche und schlägt, wiewohl von Grauen erfaßt, wirklich mit drei kräftigen Schlägen den Nagel in das Grab. Wie er sich erheben will, vermag er es nicht, denn er hat in der Eile seinen Rockzipfel mit angenagelt; er glaubt, daß die Hand des Todten ihn festhalte, sinkt bewußtlos nieder und ein Schlagfluß macht seinem Leben ein Ende. So fand man seine Leiche am andern Morgen mit angenageltem Rocke. Auch nach dem Tode fand er keine Ruhe, sondern irrt noch oft um Mitternacht seufzend und klagend auf dem Kirchhof umher.


W. Ahrens, Skizzen S. 117 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 464.
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