1413.

[276] Wie die Grebser Pferdejungen Pfingsten feierten. Am ersten Pfingstfeiertage wählten sie sich Fünf aus ihrer Mitte, die im Dorfe herumgehen und von den Bauern Eier, Speck, Butter und Mehl erbitten mußten, denn sie wollten am andern Morgen Pfannkuchen essen, die um 2 Uhr auf dem Felde von einem Mädchen gebacken wurden. Von den fünf Jungen hatte jeder sein Amt. Der eine trug die Butter, der zweite die Eierkiepe, der dritte den Speck, der vierte den Mehlbeutel (dieser hieß ›Hannenüte‹), der fünfte war der ›Hundpitsker‹ und mußte mit einer Peitsche die Hunde fern halten. Waren sie nun vor einem Hause angekommen, so machten sie sich an die Hausfrau und sagten gemeinschaftlich folgendes Gedicht auf:


Gaun Dag, gaun Dag, Fru Mauderin,

Hett jug oll Kau ok noch Fauder in?[276]

Jug oll Dęl is so holl un so boll.

Gęwt uns 'n por Eier, dei hevvt ji noch wol,

Fif in 'n Grapen, fif in 'n Schapen, fif inne Kip',

Denn ward ji selig, un wi ward'n rik.

Stig s' ok in den Wim'n bi dat Speck;

Schnid' s' uns 'n Stück von den Schinken,

Dor kœn'n wi gaut up drinken.

Schnid' s' ok gaut rum' (breit),

Schnid' s' sik nich in'n Dum;

Un kratz sei mit den Kammerjahn,

So meint der Bauer: ›Der Kater hats gethan.‹

Der Kater war belogen,

De Buer war betrogen,

Der Speck wurd an die paar Metzer gefahren. –

Ich krieg ein Weib von Havelberg her,

So 'n Weib krieg ich all mein Lebtage nicht mehr;

O Weib, was will ich tragen mich todt!

Juckel du man tau, das hätt' kein' Noth.

Soldaten und Herrn sein böse Gesellen,

Zum Fressen und Saufen sein sie geschwind (schnelle?),

Zur Arbeit kann sie der Deuwel nich kriegen;

Wo solln die Schinder und Weiber sonst blieben?

Ihr Junggesellen tretet weiter heran.

Unserm lieben Herrn Hauswirth wir wolln wünschen an,

Wir wolln ihm wünschen einen vergüldeten Tisch,

Auf allen vier Ecken gebratne Hühner und Fisch;

Mitten auf dem Tisch einen Becher mit Wein,

Das soll unserm lieben Herrn Hauswirth sein Labung auch wohl sein. –

Unsern Herrn Hauswirth wir wolln lassen stehn

Und wolln zu unsrer Hausfrauwirthin hingehn.

Unsrer Hausfrauwirthin wir wolln wünschen an,

Wir wolln ihr wünschen ein' vergüldete Kron,

Auf künftig Jahr ein'n jungen Sohn;

Ein'n jungen Sohn mit schwarzbraunes Haar,

Daß all ihr Unglück zum Gębel rausfahr.[277]

Wir wünschen ihr auch die Gesundheit dabei,

Daß ihre Lust und Freude sei. –

Unsre Hausfrauwirthin wir wolln lassen stehn

Und wolln nach unserm Hausknechte hingehn.

Unserm Hausknecht wir wolln wünschen an

Auf künftig Jahr ein' junge Braut;

Ein junge Braut von achtzehn Jahr,

Daß all ihr Unglück zum Gębel rausfahr.

Wir wünschen ihm auch die Gesundheit dabei,

Daß ihre Lust und Freude sei. –

Unsern Hausknecht wir wolln lassen stehn

Und wolln nach unserm Hausmädchen hingehn.

Unserm Hausmädchen wir wolln wünschen an,

Wir wolln ihm wünschen ein vergüldetes Lamm,

Auf künftig Jahr ein'n Bräutigam,

Ein Bräutigam mit schwarzbraun Haar,

Daß all ihr Unglück zum Gębel rausfahr. –

Unser Hausmädchen wir wolln lassen stehn

Und wolln zu unserm Hauswirth und Frau Wirthin hingehn.

Unserm Hauswirth und Frau Wirthin wir wolln wünschen an,

Wir wolln ihn'n wünschen ein'n vergüldeten Wagen,

Damit solln sie beide nach dem Himmel einfahren. –

Ach Mudder, will ji uns kein Pingstegeld nich gębn?

Hummel den Bummel wol um den Busk,

Hewt ji kein Eier, denn gęwt uns Wust,

Lat't uns hir nich lange stan,

Wir mütt'n hüt Abend noch fürder gan.

Gauden Dag.


Hatten sie nun etwas empfangen, so folgte der Segen:


Hier haben wir eine Bescheerung gekręgen,

Der liebe Gott läßt euch in Frieden lęben,

In Frieden lęben wohl ein und aus,

Daß alles Unglück fahr aus diesem Haus.


Hatten sie dagegen nichts empfangen, dann sprachen sie den Fluch aus:
[278]

Hier haben wir keinen Schwanz Hiring gekręgen,

Der liebe Gott läßt euch in Unfrieden lęben,

In Unfrieden lęben wohl ein und aus,

Daß alles Unglück fahr in dieses Haus.


Das Hummeln. Hatte einer von den Grebser Pferdejungen irgend etwas gethan, was von den Andern nicht für recht gehalten wurde, oder hatte Jemand in ihrer Gesellschaft den Anstand verletzt und nicht während der Zeit ›raus‹-gesagt, daß einer unter ihnen zehn zählte, dann ward er gehummelt, d.h. ihm ward stark an den Haaren gezogen und auch wohl einige ausgerissen. War dies letztere der Fall, so mußte jeder dem Betreffenden vierundvierzig Haare ausziehen, während die andern ein Gedicht hersagten; konnte Jemand die Anzahl Haare nicht aufweisen, dann wurde er selbst gehummelt. Der Reim war folgender:


Alle rann un alle rann,

Un wer dor nich heranne kümpt,

Denn' warn stiwe Stangen

Aewern Nacken hangen.

De Kiwit un de Krone,

Dei fleugen beid' tau Hone,

De Kiwit neum den breidn Stein

Un schmeit de Krone an den Bein.

De Krone güng hen klagen.

Ziewe, ziewe, zagen,

Bicke, backe, böbikom.

De Pap dei schmeit up'n Stein,

De Köster wullt em nahdaun,

Schmeit 'n grot Rapphaun,

Rapphaun, Möllerknecht

Stelt 'n Burn dat Mehl weg,

Mehl würd stinken,

Möllerknecht würd hinken.

Didel dumm dei, didel dumm dei,

Vierundvierzig Hor beweis.

Wat wist hebb'n, Hahn odder Buck,

Tuck odder Snuck?


Seminarist Offen. Letzterer Gebrauch bezieht sich nicht auf Pfingsten.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 276-279.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon