[116] Figaro. Gleich darauf Susanne.
FIGARO nachdem er umhergespäht. Sie sind fort. Ich sehe und höre nichts mehr. Folglich müssen sie drinnen sein. Und ich? – Kann draußen Schildwach stehen! Mit tiefem Grimm. Ueber die[116] albernen Ehemänner, die trotz jahrelanger Aufpasserei nicht hinter die Schliche ihrer bessern Hälften zu kommen vermögen, während ich gleich am ersten Tage weiß, woran ich mit der Meinigen bin. Lebhaft umhergehend. Ein wahres Glück, daß ich mir aus ihrer Treulosigkeit nichts mache. Ich habe sie gefangen.
SUSANNE langsam auftretend. Sein häßlicher Verdacht verdient Strafe. Die Gräfin in Stimme und Sprache nachahmend. Ist da Jemand?
FIGARO außer sich. Jemand, der lieber wo anders wäre.
SUSANNE. Du bist's, Figaro?
FIGARO. Die gnädige Gräfin?
SUSANNE. Sprich leise!
FIGARO. Wissen gnädige Gräfin, wo Excellenz sich befindet?
SUSANNE. Lassen wir den Treulosen.
FIGARO immer lauter und heftiger. Und wo Susanne ist, meine tugendsame Verlobte? Da drinnen stecken sie, ganz allein, nein doch, alle Zwei, im Dunkeln. Aber es soll Licht werden, furchtbar Licht. Ich rufe Leute.
SUSANNE vergißt sich und fällt in ihren eigenen Ton. Das läßt du bleiben.
FIGARO für sich. Das ist ja Susanne. God dam! Sie hat mich angeführt, die Schlaue.
SUSANNE wieder im Tone der Gräfin. Wir müssen uns rächen, Figaro!
FIGARO übertrieben, nicht karikirend. Ja wohl, gnädige Frau, rächen wir uns.
SUSANNE. Aber wie?
FIGARO. Es giebt nur ein Mittel, ein echt weibliches.
SUSANNE für sich. Der Unverschämte! Laut. Aber dies Mittel und diese Rache sind nichts ohne Liebe.
FIGARO. Vielleicht versteckt sich die Liebe nur hinter der Ehrfurcht.
SUSANNE. Das ist eine Redensart.
FIGARO ihr zu Füßen fallend. Holdeste der Frauen, Sie sehen mich zu Ihren Füßen; oder vielmehr, Sie sehen mich nicht, weil's[117] dunkel ist. Hören Sie denn mein Geständniß, kurz und gut: Madam, ich liebe Sie!
SUSANNE für sich. Meine rechte Hand juckt mich.
FIGARO. Madam, die Rache ist süß. Ich bitte um Ihre Hand.
SUSANNE mit einer kräftigen Ohrfeige. Da hast du sie!
FIGARO. Demonio, war das eine Ohrfeige!
SUSANNE noch einmal zuschlagend. Da hast du noch eine!
FIGARO. Welch köstliches Qui pro quo!
SUSANNE schlagend, aber leichter, vielleicht mit dem Fächer. Ein Qui pro quo? Das hast du für deinen Verdacht, deine Rache, deine Vorsätze. Nun sag' wieder wie heute Morgen: Ist das eine Liebe!
FIGARO indem er lachend aufsteht. Ja wohl, ist das eine Liebe! Schlag' nur zu, mein Engel; aber wenn du müde bist, schau' mit Güte den glücklichsten aller Männer an, der jemals von seiner Frau geprügelt wurde.
SUSANNE. Den Glücklichsten? Auch ohne die süße Rache mit der Gräfin?
FIGARO. Als ob ich dich nicht an deiner Stimme erkannt hätte! Kopirend. »Das läßt du bleiben.« Susanne lacht. Aber sage mir nur, wie du hierher und in der Gräfin Kleider kommst, während ich dich in den deinigen dort Pavillon rechts. verschwinden sah?
SUSANNE. Das ahnst du noch nicht? Du bist in das Eisen gegangen, das für einen Andern gestellt war. Oder besser: wir haben zwei Füchslein statt eines gefangen.
FIGARO. Wer war denn aber hier beim Grafen?
SUSANNE leicht. Seine Frau.
FIGARO außer sich. Seine Frau?!
SUSANNE nickt. Seine Frau!
FIGARO umherspringend, wie toll. Häng' dich auf, Figaro, häng' dich auf! Das wäre dir niemals eingefallen! O Weiber, Weiber, Weiber! Wie viele Millionen Erzteufelchen habt ihr in eurem Solde? Also die Küsse hier im Grünen?
SUSANNE. Nahm die Gräfin in Empfang.
FIGARO. Und den Kuß des Pagen?
SUSANNE lachend. Der Herr Graf.
FIGARO. Heute Morgen aber, hinter dem Lehnstuhl?[118]
SUSANNE. Wurde nicht geküßt!
FIGARO. Weißt du das auch gewiß?
SUSANNE. Figaro, soll's wieder Ohrfeigen regnen?
FIGARO. Die deinigen sind Gold, – die des Grafen war echtes – Blei.
SUSANNE. Erklärst du nun endlich dich für besiegt?
FIGARO mit begleitender Pantomime. Auf den Knieen – im Staube, – wie ein Türk, mit dem Bauch auf der Erde, – so bet' ich dich an!
SUSANNE laut lachend. Wie der arme Graf sich abgequält hat.
FIGARO einfallend. Um seiner Frau den Hof zu machen! Unübertrefflich!
Der Graf erscheint im Hintergrunde.
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