XVI. Capitul.
Wolffgang wird von seinem Hauskreuz erlöset.

[747] Dieses, ob es gleich bald darauf weit und breit auskam, auch mir nicht zum Besten ausgedeutet wurde, achtete ich doch nicht gar groß und war vergnügt, daß ich mich so gewünscht an dem Gesindlein gerochen hatte. Wenn ich aber betrachtet, wie hübsch ich ehedessen und zeit währender Ehe mein Maul habe spazieren geführet, so gereuete mich meiner Schärfe hinwieder und mußte mich über mir selber schämen. Kurz darauf wurde ich von dem Jungen von Adel bei dem hohen Gericht verklaget, und weil ich keine genugsame Ursach meines Verfahrens anzeigen können, wurden mir vierhundert Taler Strafe dictiert. Solchergestalten wurde mir mein Leben trefflich sauer gemacht, welches ich auch durch zwei ganze Jahr mit großem Verdruß ertragen müssen.

Aber endlich erkrankte die Liesel unversehens, und weil diese Krankheit in eine Wassersucht ausschlug, mußte sie bald darauf ihr Leben mit unbeschreiblicher meiner Zufriedenheit einbüßen. Aber der Stradiot sagte mir nach ihrem Tode, daß er in den Wein, welchen sie des Tages überflüssig genossen, zuweilen Scheide- und ander Wasser gemischet, davon sie ohne allen Zweifel den Kragen viel ehe, als es sein hätte sollen, zugeschlossen hätte. Und ob ich gleich an diesem Beginnen keinen Wohlgefallen hatte, erfreuete michs doch, daß sich auch dieser alte Salpeter meinen elenden Zustand so sehr hat lassen zu Herzen gehen. Es war mir nicht viel anders, als hätte mir einer einen großen Mühlstein vom Halse genommen. Oh, wie war ich dazumal so herzlich froh! »O Wolffgang,« sagte ich, »das Mal und nimmermehr nicht gefreiet, denn du bist mehr als zuviel gewitziget worden. In stetem Kummer hast du diese drei Jahre hingebracht, Eifer und Verzweiflung hätten dich bald aufgerieben, aber nun hast du Ursache zu frohlocken.« Oh, wie wohl gefiel es mir, daß meine ärgste Peinigerin tot im Sarg lag, keine Schilderei, so künstlich auch solche gemalen war, übertraf diesen lieblichen Anblick. Ich schickte demnach, sobald es sein konnte, zu ihrem Begräbnis zu und ließ es an keiner[748] Kostbarkeit mangeln, daran man hätte spüren können, daß wir so schlimm miteinander hausgehalten hatten. Tat es aber nicht sowohl ihr als ihren Eltern und Freunden zu Ehren, von denen ich noch ein Erb hoffte. Vors andere konnte ich mich vor großen Freuden nicht enthalten, mich auf das äußerste anzugreifen, weil kaum ein gefangener Christ, welcher von dem Türken aus einer sechzigjährigen Gefängnis erlediget wird, so froh sein kann, als ich dazumal bei mir selber gewesen.

Und gleichwie mich das Unglück auf einmal heimgesucht, als verließ mich solches auf einmal wieder, weil den vierten Tag hernach auch ihr junges Söhnlein starb, welches mein wahres Kind zu nennen ich mir großes Gewissen würde gemacht haben. Also wurde diese schlimme Wurzel mit ihrem Zweig auf einmal ausgerottet und das Begräbnis mit großer, ungewöhnlicher Pomp angestellet und vollzogen. Über die Tränen, welche ich bei der Leiche vergossen, verwunderten sich alle diejenige, welche um unser verführtes Leben genügsame Wissenschaft hatten. Aber sie wußten nicht, daß ich vielmehr vor Freuden geweinet habe, und ob mich auch gleich meine Begleiter ziemlich trösteten, hatte ich doch dessen ohnedem so viel in meinem Herzen, daß ich jedem unter ihnen einen ziemlichen Teil wollte mitgeteilet haben, weil sie es wegen ihrer selbst bösen Ehe wohl vonnöten gehabt hätten. Keine Musik hat niemalen so angenehm in meinen Ohren geklungen, als da ich im Kirchhof die Stein auf ihren Sarg werfen hörte. Ja, wenn ich meinen Hochzeits- und diesen Begräbnistag gegeneinander vergleichen will, so bin ich an dem letztern viel vergnügter als an dem ersten gewesen, denn dazumal flossen meine süße Wasser noch ins Meer, aber anitzo sprangen sie wieder heraus. Also ruheten wir alle beide: sie in der Erde und ich von der großen Pein und Marter, mit der sie mich immer und ohne Aufhören in ihrem Leben gequälet hat.

Ich muß mirs selbst aus eigener Schwachheit nachschreiben, daß ich immer in Sorgen und Gedanken gestanden, als würde sie wieder aufstehen und lebendig werden, und also hätte ich sie vermittelst des Rechts der Natur wieder zum[749] Weibe annehmen und mit ihr hausen müssen. Aber wenn ich betrachtete, wie gar ein ungeistliches Leben unser Dorfpriester führete, konnte ich mir leicht den Trost machen, daß er sie nicht wieder auferwecken würde, und wenn die Leute sagten: »Oh, wie ist es so großer Schad um die edle Frau!«, so gedachte ich: ›Du Narr, stecktest du in meiner Haut, würdest du viel anders sprechen!‹ Und dieses sei also genug von meiner so übeln geführten Ehe.

Weil nun gewiß ist, daß eine böse Frau nur mit tausend Freuden kann verloren werden, als ist hingegen genugsam abzumerken, wie mit einem großen Betrübnis man eine fromme Hausmutter verliere. Der Student selbsten verschwur, all sein Leben lang nicht zu heiraten, sondern in ein Kloster zu gehen und ein keusches Leben zu vollführen. Ich bin zwar in der ersten Trauer nicht gar zu betrübt gewesen, noch viel weniger war ichs in der andern, denn ich merkte innerhalb vier Wochen, daß ich in solcher Zeit durch den Fleiß meiner guten Mägde an dem Vieh mehr zugenommen hatte, als sonsten in den dreien Jahren nicht geschehen war. Also erholte ich mich in diesem allgemach wieder, welches ich zuvor gleichsam auf einmal verloren hatte. Der Student schrieb das Trauerjahr über ein eigenes Buch voll von lustigen Grillen, und als er solches vollendet, bat er mich, vor seine geleistete und treue Dienste ihm so viel zu Gefallen zu sein und seine Person an das nächstgelegene Kloster zu recommendieren, weil er Lust hätte, ein Mönch zu werden und in einem solchen Stand sein Leben zu beschließen. Diese Bitte konnte ich ihm keinesweges abschlagen, in Erwägung, daß sein Vorhaben christlich und seine vorgeschützte Dienste nicht allein dieses, sondern wohl ein mehrers um mich verdienet hatten. Brachte ihn also nach etlichen Wochen alldorten bei dem Abten an, welcher ehedessen in meiner Jugend mit mir studiert hatte, und war froh, daß er sich mein eigenes Exempel so plötzlich von aller Welt- und Weiberliebe hatte abschrecken lassen.

Den Soldaten aber kitzelten viel andere Grillen, und weil er heimlich in meine Köchin verliebt war, wollte er ihr mit Gewalt in die Haare. Ich hatte Ursach, mich über beide hoch[750] zu verwundern; denn der Student war jung, hurtig und lustiges Gemüts, dazu wohlproportioniert und der Welt sehr fähig, der Stradiot aber schon ein ausgemergelter Dollfuß, grau von Bart und Haaren, und ob er gleich das Podagra nicht hatte, konnte er doch mit großer Mühe eine Treppe in einem Atem hinaufsteigen. Dennoch gelüstete ihn, zu heiraten und der Welt erst da zu gebrauchen, da er schon mit einem Fuße in dem Grabe stund. Der andere aber vergräbt alle Freude, da er erst derselben hätte leben sollen. Jedoch weil ich hierinnen ihre heimliche Bewegungen nicht erforschen können, war ich dem letzten sowohl als dem ersten zu seinem Vornehmen behülflich, weil sie sich beide um mich wohl verdienet hatten. Also verehlichte ich diesen alten Knisterbart an meine Köchin, welche ihm die Farbe weit besser als mir mein voriges Weib gehalten hat.

Quelle:
Johann Beer: Die teutschen Winter-Nächte & Die kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt a. M. 1963, S. 747-751.
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