V. Capitul.
Wunderliche Hochzeit auf einem adeligen Schloß.

[802] »Bei diesem von Adel, welcher ein rechtes Muster von einem lustigen und vergnügten Menschen war, enthielt sich ein Stalljung, der unterstund sich, der Edelfrauen ihr Aufwartmädchen zu lieben, welches sie erst neulich aus einer Stadt mit sich gebracht hatte. Wenn man aller beider Jahre zusammengenommen und sie dem allerperfectesten Rechenmeister sollte übergeben haben, so hatte man unmöglich dreißig daraus zählen können; und weil ich dazumal des Herrn sein Jung und sie verstandenermaßen der Frauen ihr Mädchen gewesen, hätte ich hier billig, wegen Einigkeit der Charge, um den Vorgriff eifern können. Ich muß es auch gestehen, daß es mich oft von Herzen verdrossen, wenn sie der Frauen dort und da heimlich ein Band oder andere Sache abgezwacket und solches dem Stalljungen verehret hat. Dannenhero rauften wir uns gemeiniglich die Woche dreimal,[802] und wenn ich noch daran gedenke, so kam mir derselbe Streit nicht viel anders vor, als welchen die alten Ritter um eine schöne Dam oder zu Ehren einer königlichen Princessin getan haben. In solchem Kampfe riß ich ihm gemeiniglich das geschenkte Band vom Arm, allwo ers auf dem Wamsärmel hinter den Aufschlag genähet hatte, und alsdann zerzauste ich ihm auch seine Haar fast alle aus dem Kopf, daß ihn gar viel vor grindig angesehen haben. Unterweilen biß auch einer den andern in die Nase, und wenn wir uns hinter der Schloßmauer ganz matt und kraftlos wie zwei junge Hähne abgekampelt hatten, so kam gemeiniglich der Gutscher oder ein anderer mit dem Ochsenziemer zum Beschluß und prügelte einen da-, den andern dorthin.

Endlich kam die Ursach unserer Uneinigkeit vor den Herrn, welcher, weil er wußte, daß ich und der Stalljung Feinde zusammen wären, fast alle Sonntag unter uns eine Fechtschul anstellete. Die Fraue aber gab genauer auf die Sache Achtung und wurde endlich gewahr, daß sich der Stalljung gelüsten ließ, mit dem Catherl (so hieß die Höppin) heimlich aus dem Schlosse zu laufen und sie zum ehlichen Gemahl zu nehmen. Sie beredeten sich miteinander in dem Gewölb, so nächst am Schlachthaus stund; und weil ich dazumal mit der Frauen wegen der Kerzenlichter darinnen zu tun hatte, hörten wir ihren närrschen Vorschlag und das kindische Vornehmen mit Verwunderung an. ›Morgen,‹ sagte das Catherl, ›wenns Mitternacht und fein finster ist, so wollen wir über die alte Bastei (war ein Ort, da ehedessen ein Contrascarpi gestanden, aber dermalen ganz ruiniert war) aussteigen, durch den Mühlbach waten und also fortlaufen. Was sollst du dich in dem Schlosse von dem blinden Schindhund (so hieß sie mich, weil ich ein wenig scheel sah) so hudeln lassen und alle Sonntag mit ihm fechten. Du weißt es nicht, woher ers konnte, daß er dir mit dem Dusacken fast allemal eines über den Schädel gibt; aber neulich habe ichs gesehen, daß ihm der Herr fechten lernet und zeiget, wie er dir eine gute Kappe versetzen soll. Aber was wollen wir tun, wenn wir hinweg sind?‹ – ›Da will ich wohl‹, sprach er, ›zusehen. Ich kann auf der Leier, das will ich so lang treiben,[803] bis es besser wird. Ich weiß auch einen Edelmann über dem Wald, der erhält uns alle beide, bis wir groß sind. Siehe du indessen zu, daß du etwas Rechtschaffnes bei dem Kopf kriegest und daß du die Frau fein brav bestiehlest, ich will den Knechten die Säckel wacker visitieren. Aber wo treffe ich dich an?‹ – ›Ich werde,‹ sagte sie, ›sobald die Uhr eilfe geschlagen, meine Sachen zusammenpacken und zu dir an den Schlagbaum kommen!‹ – ›Wohlan!‹ antwortete er, ›so will ich daselbst warten, gib aber wohl acht, daß du dich weder mit einem Wort oder sonsten verschnappest, und damit mans desto weniger merke, was du willens bist, so stelle dich krank oder sage zu der Magd, da du schläfest, du habst den Durchfall, und also wird sie dein Aufstehen aus dem Bette vor nichts Böses ausdeuten.‹

Diese Unterredung zwischen beiden Parteien hörten wir mit Verwunderung; und wenn sie durch etliche über den Schloßhof wandernde Leute nit wären verstöret worden, hätten sie noch ein mehrers offenbaret. Die Edelfrau wollte unter währendem Gespräche sie immer voneinanderstäupen, aber sie enthielt sich noch vor Zorn und ersonn eine andere Art, dadurch sie beide weidlich könnten ausgezahlet werden. Sie offenbarte solches ihrem Herrn, welcher nit langsam war, einen Stallknecht zu bestellen, der in der Nacht anstatt des Hansels (so hieß der saubere Bräutigam) am Schlagbaum aufpaßte und mit dem Catherl, als der Braut, in den nächsten Wald entwischte, sie auch daselbst in dem Finstern dergestalten zerklopfte und zerzauste, so gut und kräftig es immer sein konnte. Sein Kammerdiener aber, welcher ein starker und untersetzter Kerl war, mußte sich verkleiden und anstatt der Catherl mit dem Hansel davonmarschieren, denselben auch auf der Straße dergestalten abschmieren, daß ihn der Buckel sein Leben lang nach einer solchen Hochzeit nicht mehr jucken würde.

Also wars bestallt, und also ging die Sache auch perfect zum Ende. Denn als es wollte elfe werden, schlich der Hansel allgemach an den Schlagbaum, und der verkleidete Kammerdiener kam mit einem Beutel unterm Arme in den Hof, worauf sie beide ihn öchster Stille über die alte Bastei ausgestiegen.[804] Nach diesem kam an dessen Stelle der Stallknecht und zu ihm die Catherl, und solches traf so just ein, daß die erste Partei kaum eine Viertelstund voraus war. Und ist nichts mehr zu bedauern gewesen, als daß dieser Poß in der Finster vorübergegangen, sonst würde man sich ohne allen Zweifel schicklicht über die Posturen gelacht haben, welche sie da zu Verdeckung ihrer Schalkheit formiert. Man hörte endlich, weiß nicht, wegen Stille der Nacht oder aber weil es nicht gar zu weit vom Schlosse war, ein großes Geschrei, welches das Echo aus dem Wald zurückschickte, und weil der Edelmann in dem obern Stock wohnte, vernahmen wir aus dem Schall desto ausführlicher, daß es die liebliche Stimme der Catherl wäre, welche ein recht erbärmliches Concert angestimmet hatte. Nach etwan einer halben Stund kamen beide Brautdiener fast zugleich wieder in das Schloß, jeder mit einem stumpfen Stecken, daraus man wohl abnehmen können, daß den beiden Verlobten ein schlechtes Geschenk aufgesetzet worden. Aber ob dieses gleich eine kindische Sache betrifft, so war doch die Invention des Edelmannes gut genug, daraus man leichtlich ein Possenspiel machen könnte. Denn ich gebe demselben Edelmann noch immer Beifall, welcher davor gehalten, daß keine Invention zu loben sei, welche man nicht also einrichtet, daß sie auch auf dem Theatro könne agiert und vorgestellet werden.«

Quelle:
Johann Beer: Die teutschen Winter-Nächte & Die kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt a. M. 1963, S. 802-805.
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