IX. Capitul.
Der Gärtner, als ein Jud verkleidet, wird von Ludwigen, einem Edelmann, abscheulich betrogen. Ludwig offenbaret sich selbst.

[53] Wer andre fäht, wird selbst befleckt,

Die Untreu seinen Meister schlägt.


Der Barbier, so die in dem Duell Verwundeten in die Cur genommen, berichtete uns derselben großen Schmerzen mit gewissen Umständen, daß sie schwerlich Hoffnung hätten, zur völligen Genesung zu kommen, indem der Herr achtzehn[53] und der Diener vierundzwanzig Wunden in dem Leib hatte. Indessen kam auch dahermarschiert der französische Cavalier und bedankte sich gegen dem Besitzer wegen aller Höflichkeit, die er seiner unbekannten Person in einer so fernen Abgelegenheit erzeiget und erwiesen hatte. Er redete gar sauber teutsch, über welches wir uns endlich so sehr nicht verwundert, weil er erzählet, daß er sich ehedessen in teutschen Kriegesdiensten bis ins zehente Jahr gebrauchen lassen. Solchergestalten schied er wieder hinweg und ließ dem Besitzer zum Zeichen seiner Dankbarkeit eine ausdermaßen saubere Halsuhr zurücke, welche die Königin in Frankreich sollte gebrauchet haben.

Nach dem Hinritt dieses Cavaliers machten wir es auch nicht lange, sondern ritten noch am halben Abend zurücke in unser Schloß, allwo wir die tränende Mutter in dem Hofe angetroffen. Isidoro half ihr gar bald auf den rechten Weg, indem er ihr umständlich ausgeleget, was vor ein hauptsächlicher Betrug mit dem Briefe vorgelaufen. Sie gab sich endlich zufrieden, und weil ihr der Anblick der dreihundert Ducaten eine sonderbare Ergötzlichkeit verursachet, bekam sie Lust, eine ziemliche Quantität von dergleichen Stücken einzuwechseln. Schickte dahero, uns ganz unwissend, ihren Gärtner mit einem Esel in die nächstgelegene Stadt, auf welchem er den Geldsack hineinbringen mußte. Sie legten die Sache so heimlich miteinander ab, daß der Sohn nicht das geringste Wörtlein davon innen wurde, und damit sich der Gärtner in der Stadt nicht zu bloß gebe, verkleidete ihn die Edelfrau gleich einem Juden, und damit zog er ganz unkenntlich aus dem Schloß.

Die Frau hatte ihm fleißig befohlen, genaue Kundschaft zu halten, wo und in welcher Gegend er die schönsten Stücke erhalten könnte. Deswegen fragte er fast alle Leute, die ihm auf der Straße entgegenkamen. Unter andern traf er an einen Edelmann, welcher der allerreichesten einer im ganzen Lande war. Er nahm derowegen diesen Wechsler mit sich und versprach, ihm so gute Ducaten zu lassen, als er sie im Vermögen hätte. Der Gärtner gedachte wunder welch einen Hauptfund er getan, wendete dahero seinen Geldesel auf der[54] Straße um, solchen ganz sachte nach des Edelmanns Pferd treibend, und also ritt einer nach dem andern.

Nach einer Stund kamen sie auf dessen Schloß, allwo ihn der Edelmann in dem Hofe warten ließ, er aber ging indessen in seine Schatzkammer und zählete fast in die tausend Ducaten zusammen, weil der verstellte Gärtner bei einem gleichen einzuhandeln verlanget. Der Cavalier hielt es vor keine Sünde, einen Juden über den Tölpel zu werfen, nimmt dannenhero einen Haufen der neuesten Reifpfennige, wägt solche gegen die Ducaten, also daß beiderlei Sorten in einem Gewichte stunden. Er steckte beides in zwei gleiche Säcke und lässet den Juden vor sich kommen, welchen er entschlossen war, rechtschaffen zu betrügen. Der Gärtner hat in seiner Zurückkunft hoch beteuret, daß er allen möglichsten Fleiß angewendet, seine Person zu präsentieren und einen Juden recht lebhaftig vorzustellen, dahero schoß ihm der Cavalier tausend Ducaten auf den Tisch, steckte solche in den Sack und versiegelte es. Der Gärtner trug darauf mit Hülf zweier Knechte das schwere Geld hinauf, zwischen welcher Arbeit der Edelmann den andern Sack mit den Reifpfennigen an die Stelle geleget, und als der Gärtner seinen Particul samt der Lagio dargeschossen, nimmt er den falschen Goldsack auf den Esel und kam ganz spät zum Tor herein.

Wir hatten den Narren niemalen verkleidet gesehen, deswegen glaubten wir, es wäre ein Wechseljud, dergleichen dazumal das ganze Land voll war. Aber wir wurden bald ein anders innen, denn die Edelfrau schandierte ihn in ihrem Zimmer aus, daß wirs bis zu uns hinüber hören können. Sie weinete, daß es taugte, und der verkleidete Gärtner raufte sich fast die Haare aus, daß er so jämmerlich betrogen worden. Er wußte weder den Edelmann noch das Schloß zu nennen, unerachtet er sagte, daß er denselben öfters solle gesehen haben, dahero kunnte man auf keine Rede nicht gewiß fußen, sondern mußten uns mit Geduld in diesen hauptsächlichen und großen Verlust schicken, welcher allem Ansehen nach innerhalb sechs Jahren nicht zu erschwingen war. Es war alles voll Trauer und Elend, denn keiner wußte ein Mittel vor diesen Schaden aufzusuchen, so sehr wir uns[55] auch darum gesorget und bemühet haben. Man wurf den Gärtner ins Gefängnis, weil man glaubte, daß er das Geld mit Partiterey vertan, und die Frau wollte sich deswegen bei einem Rechtsgelehrten Rats erholen, was etwan in diesem unverhofften Casu zu tun oder zu lassen wäre.

Den dritten Tag darauf kam eben der Edelmann in das Schloß, bei welchem der Gärtner die Ducaten eingewechselt hatte, aber er wußte ganz nichts darum, daß der Jude aus diesem Schlosse gewesen, sonst hätte er wohl das Maul gehalten oder zuvor den Betrug unterlassen. Isidoro kennte ihn alsobald, daß es Monsieur Ludwig wäre, welcher ehedessen mit ihm zu Genève und Mompelgart hätte reiten gelernet. Sie waren tausend Brüder zusammen, und wegen alter Vertraulichkeit lud ihn Isidoro zu Gast, ob er schon wegen des verlorenen Geldes voll Traurigkeit steckte. Man richtete an, aber die Edelfrau lag wegen großen Schmerzens zu Bette, weil sie einen so merklichen Verlust stets mit Tränen beseufzete. Ludwig machte sich indessen mit uns zweien an der Tafel rechtschaffen lustig, und: »Herr Bruder,« sagte er zu Isidoro, »weißt du, wie es mir vor drei Tagen mit einem Juden gegangen? Der Teufel führte einen Donnermauschel auf der Straße zu mir, der hatte auf einem Esel tausend Taler lauter große und schwere Münze und was noch darüber ist. Ich fragte ihn, wo er damit aus wollte, da ließ er sich mit mir in einen Wechsel vor Ducaten ein.« Und auf solche Weise erzählte Ludwig die ganze Geschicht, wie es an sich selbst war.

»Herr Bruder,« sagte Isidoro, »hast du das Geld noch beisammen?« – »Freilich,« antwortete Monsieur Ludwig, »ich werde es ja in diesen drei Tagen nicht versoffen haben.« Damit stund Isidoro von dem Tische auf, brachte seiner Frau Mutter die Zeitung, welche noch in dem Bette zu lachen anfing, daß man ihr alle Zähne sehen können, weil sie über viere nicht viel im Maul hatte.

Auf solches hieß man den Gärtner aus dem Gefängnis holen, welcher sich in seinen vorigen Habit verstellen und zu uns vor den Tisch kommen mußte, darob Monsieur Ludwig ganz erblaßte. »Herr,« sprach der Gärtner, »wie ist die Ducat,[56] die Ducat und die Guldi, die Guldi? Ist sie gued, hat sie das Gewicht? Schalamachey, ei, ei, schlimmi Christ, schlimmi Christ, betrogni Christ, issi schlimm Leut, ei, ei, schalamachey.« – »Safframent,« gab der Ludwig mit einem großen Gelächter zur Antwort, »Herr Bruder, ich habe mich selbst verraten. Hui, daß der Jud von dir ausgeschickt worden!«

Hierauf berichteten wir ihm die ganze Geschicht, wie es an sich selbst war, darob er das Kreuz wohl zwanzigmal vor sich schlug. Solchergestalten hatten wir den arglistigen Vogel gefangen, und er versprach der Edelfrauen, die Specie Ducaten morgiges Tages anhero zu schicken, bittend, sie sollte ihm die verübte Unhöflichkeit als eine kluge Dam nicht vor übel halten, es wäre nicht ihr, sondern dem Juden gemeinet gewesen. Versprach beinebenst, dem Gärtner vor seine Gefängnis ein gutes Trankgeld zu spendieren und sich gegen ihm, als einem Cavalier zustehet, einzustellen. Ob ers aber gehalten habe oder nicht, das weiß ich nicht, denn die Edelleute versprechen zuweilen güldene Eier, und wenns dazu kommt, so sinds kaum Ratzendreck. Er setzte auch anbei, daß er die Zeit seines Lebens keinen so artigen Juden als eben den Gärtner gesehen, welcher seine Sach so natural vorbringen können. Und weil sich der Betrug so artig offenbaret, gelobte er an, allerehestens eine stattliche Mahlzeit auszurichten und die tausend Ducaten dabei zu versaufen.

Auf solches tranken wir lustig herum, und weil sich in unserer Dorfschaft zwei blinde Leirer aufhielten, mußten sie mit ihren Instrumenten herein und Lärmen darzu aufspielen. Der Gärtner konnte ein wenig auf dem hölzernen Gelechter oder, wie mans in Sachsen heißet, auf der Strohfiedel, derohalben mußte er widers Teufels Dank damit aufwarten. Endlich luden wir die Pistolen und schossen zu jeder Gesundheit zum Fenster aus, bis wir gar Pirst-Röhre und Musqueten geladen, damit trieben wirs den ganzen Abend hindurch, daß die Nachbarsleute nur einen Verdruß davon hatten. Letztens schmissen wir Tisch und Bänke über den Haufen, wurfen die Gläser zum Fenster aus und trieben allerlei Mutwillen, was wir nur erdenken konnten, und mir[57] gefiel dieses Leben dermaßen wohl, daß ich nicht viel Geld genommen hätte, ihre Gesellschaft zu missen.

Zwischen währendem solchen Tumult entschloß ich mich, folgenden Tages das Schloß zu verlassen und meinen Weg nach meinem Vaterland zu nehmen. Aber Isidoro hieß mich einen Schelm, so ich mich nicht noch acht Tag allhier aufhalten würde, weil ihm mein Humor trefflich anstünde. Derowegen versprach ich ihm, solche Zeit bei ihm auszudauren, aber hernachmals bat ich, mir einige Gelegenheit zu verschaffen, damit ich desto ungehinderter nach Haus abreisen mochte. Er versprach mir eine Calesche, und weil mich seine Frau Mutter nicht ungern gesehen, wollte ich diese acht Tage noch zusehen, was etwan guts Neues passieren möchte.

Quelle:
Johann Beer: Die teutschen Winter-Nächte & Die kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt a. M. 1963, S. 53-58.
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