VI. Capitul.
Pongratz hält sich auf einer Hochzeit trefflich nett. Schiebt nichts als Becher und silberne Teller ein. Und wie es weiter mit seiner Hure gegangen.

[369] Dem man viel Guttat hat getan,

Läßt oft zurück den schlimmsten Lohn.


»Nun, gedachte ich, die Sach wird gut werden, stiehlt der Edelmann, so hängt der Edelmann. Ich schere mich nicht ein Haar darnach. In solchem Gespräch kamen wir in den Marktflecken, darinnen die Hochzeit sollte gehalten werden. Wir hörten die Trompeten schon von fernen, und dahero gingen wir dem Gepfeife so lang nach, bis wir ins Haus kamen, allwo allerlei Schalmeienpfeifer, Bockpfeifer, Spielleute und andere Dorfgeiger mehr zugegen waren, welche die adelige Hochzeit in die Kirche fiedeln sollten. Mein Junker wurde von dem Bräutigam gar höflich empfangen. Hätte er aber gewußt, was wir unterweges miteinander geredet, er solle ihm das Requiem gesungen haben, daß die Drümmer davongeflogen wären.

Unter währender Trauung zog sich mein Junker nebenst anderen Edelleuten in einem kleinen Stüblein an, weil ich ihm im Ranzen allerlei Kleider nachgetragen, die er auch auf dem Schloß seiner alten Muhmen geborget. Oh, wie war er dazumal so froh, daß er unter eine so angenehme Compagnie geraten war! Seine Gesellen waren kein Haar besser als er, und mich gedünkte, der Bräutigam würde von diesen ehrbaren Gesellen gar einen schlechten Profit haben. Denn einer sagte, daß er um keiner andern Ursach auf die Hochzeit gekommen, als ein Duell anzufangen. Der andere war willens, das Frauenzimmer zu beschimpfen. Der dritte wollte sehen, wie er den Bräutigam zum Hahnrei machte, und mein Herr hatte sich vorgesetzet, das Nächste das Beste in den Sack zu schieben und mit sich wegzunehmen. Ihr ehrbare Bürschlein, gedachte ich bei mir selber, hättet wohl mögen zu Hause bleiben, und wenn ich wüßte, daß ich solche Hochzeitgäste auf meine Hochzeit bekommen sollt, ich wollte Scheiter kaufen und die Schelmen alle verbrennen, ehe sie noch die Mäntel umnähmen.[370]

Aber vor diesmal konnte es nicht anders sein. Die Hochzeit kam aus der Kirche zurück, und als man sich zur Tafel gesetzet, kann ich nicht sagen, wie es die vier von Adel so erbärmlich und jämmerlich getrieben. Man hatte kaum eine halbe Stund gespeiset, da ging der Duell mit dem ersten schon an, denn er goß einem, auf welchen er einen alten Groll getragen, ein Glas Wein ins Gesicht. Darüber wurden Teller und Schüsseln in die Stube geworfen, die beide gerieten aneinander in die Haare, und indem alles wehren wollte und der Schlägerei zusah, schob mein Junker einen großen Becher in die Ficke, zwei silberne Teller in die Hosen und noch ein Salzfäßlein in die Rocktasche. Solches gab er mir aufzuheben, und als wir wieder zurückgingen, lachte er mich aus, daß ich so einfältig und verzagt wäre. ›Du Narr,‹ sagte er, ›gelt, ich konnte die Zeit hübsch in acht nehmen. Ich glaube, ich hab die Geschirr bei der Cartausen gekriegt. Sie sind aufs wenigste zwölf Ducaten wert. Davor kann ich den ganzen Winter nicht allein Pulver und Blei, sondern auch genug Schuhe kaufen.‹ Als wir nun nach Hause kamen, verbot er mir, seinem Vater kein Wort davon zu melden, sondern er satzte sich mit mir ganz heimlich hinauf unter das Dach. Daselbsten machte er zwischen einer Feuermauer eine große Glut, über welcher er das gestohlene Zeug zerschmolzen. Mit solchem geschmelzten Silber schickte er mich in eine Stadt, allwo ich das Lot vor einen halben Taler verkaufte und ihm in einem Schnupptuch auf einmal dreiundzwanzig Taler hineinbrachte.

Er hieß mit Namen Pongratz und hielt über ein halbes Jahr lang eine heimliche Hure in seiner Kammer auf, um welche kein Mensch auf dem Schlosse als nur ich und er gewußt. Alles dasjenige, was sie aus Leibesnotdurft in einen großen Scherbel gemachet, das mußte ich aus der Kammer tragen, und Pongratz versprach, mir wegen dieser Dienstleistung monatlich einen Taler zu schenken. Aber sooft er mir das Geld in die Hand gab, mangelten neunundzwanzig Kaisergroschen daran, sonst wäre der Taler richtig und voll gewesen. Einsmal ging der Alte visitieren, und als er in des Pongratz seine Kammer kam, fand er die Hure ganz ausgezogen[371] auf der Truhen sitzen, weil sie sich gleich dazumal die Flöhe absuchte. Der Monsieur Pongratz war vor diesmal mit seiner Flinte wieder in den Wald gegangen, und dannenhero konnte er nicht bei der Comödia sein, welche mit der Huren auf dem Schlosse gespielt wurde. Denn der alte Edelmann jagte sie ganz nackicht und ausgezogen mit seinem Stock über die Treppe hinunter, und sie hatte genug zu tun, daß sie den Knechten entsprang, welche sie sollten gefangen haben. Es ist nicht zu sagen, wie sie in ihrem zerrissenen Nachtrock das Querfeld hinübergeloffen. Denn daselbsten hatte sie ehedessen bei einer alten Frauen eingemietet, welche allerehestens in einen Spital gehen würde. Die Knechte haben sie zwar bis an dasselbe Häuslein verfolget, als sie aber verstanden, daß sie des Pongratzen Hure sei, schwiegen sie stille und sagten zu dem alten Edelmanne, sie wäre ins Wasser gesprungen und würde nunmehr schon über die Schlacht hinuntergeschwummen sein.

›Die Strahlhure‹, sagte der Alte zu uns, ›darf sich lassen gelüsten, in meines Sohnes Kammer zu gehen und daselbsten die Flöhe abzusuchen? Ich glaub, der Henker und seine Mutter habe sie hineingeführt. Wüßte ich, daß Pongratz einzige Wissenschaft darum hätte, ich wollte ihm gewiß ein Lied aufpfeifen, daß nicht gar zu wohl klingen sollte.‹ Indem kommt Pongratz nach Hause, und der Alte fragte ihn, ob er wegen des Weibesbild Kundschaft hätte, so in seiner Kammer die Flöhe abgesucht. Ich hatte dem Pongratzen vor der Schloßmauern schon alles haarklein erzählet. Deswegen konnte er sich desto besser in die Sprünge finden und sagte: ›Was, hat der Herr Vater ein Weibsbild in meiner Kammer gefunden?‹ – ›Ja,‹ sagte der Alte, ›ich habe sie nicht allein darinnen gefunden, sondern auch Flöhe absuchen gesehen.‹ – ›Ach, die Schandhexe,‹ sagte Pongratz, ›es war gewiß eine Diebin, die nicht Flöhe, sondern gewisse Dietrich hervorgesucht hat, in dem Schlosse einzubrechen. Der Herr Vater verlaube mir, ich will ihr mit meinem Diener Josten nachsetzen, und treffe ich sie auf der Straße oder sonsten wo an, so will ich ihr eine Kugel in den Pelz brennen, daß ihr das Flöhesuchen ihr Lebtag vergehen sollte.‹[372]

›Nein, nein,‹ sagte der Alte, ›gib dich nur zufrieden, mein Sohn, sie hat ihren verdienten Lohn schon empfangen. Die Hure hat sich selber ins Wasser gestürzet, allwo sie der Flöhe bald wird loswerden. Sind das nicht Rabenäser? Gehen mir bei offenem Tage in das Schloß und machen sich so gemein, daß man davor erschrickt.‹ Pongratz wandte hierauf allen möglichen Fleiß an, seinen Vater zu befriedigen. Aber die folgende Woche wurde ein kleines Kind vor der Schloßpforte gefunden, darüber sich der Alte fast die Haar aus dem Kopf herausriß, denn er kam allgemach hinter den Betrug, und hat ihn wohl tausendmal gereuet, daß er die Hure nicht in bessere Verwahrung nehmen lassen.

Der Sohn wollte sich zwar excusieren, vorgebend, das Kind gehörte vielleicht einem Stallknecht zu. Aber es lag ein Zettelein dabei, in welchem der Vater Pongratz mit Namen genennet war. Und weil aus dieser Ursach nicht viel mehr Plasy vor ihn auf dem Schlosse war, ließ er sich unterhalten, und ich zog mit ihm in [den] Krieg. Nach ungefähr einem Jahr darnach wurde er in einem Scharmützel auf der Partei erschossen, und ich wischte mit seinen zwei Pferden heimlich davon, weil er mirs nach seinem Tod vor einen Zehrpfennig zu schenken versprochen.

Ich brachte seinem Vater die Zeitung, welcher nicht gar zu viel darüber betrübt war, weil er das Kind bei sich behalten und aufziehen lassen mußte. ›Der Bärnhäuter‹, sagte er zu mir, ›hat nichts Bessers verdient, und es wird noch allen ungehorsamen Kindern zuletzt nicht anders gehen, die wider den Willen ihrer Eltern allerlei Mutwillen treiben und der Hurerei so nachge hen.‹ Nachdem er nun allerlei widrige Reden wegen seines Sohnes herausgestoßen, fragte er mich, ob ich nichts von seinem Gewehr oder Kleidern mit mir gebracht. Aber ich beteuerte, daß ich zu seiner Begräbnis noch Geld darzu hergeliehen hätte, weswegen ich die Pferde vor mein Eigentum genommen. ›Was,‹ sagte er, ›die Pferde vor dein Eigentum? Da soll dich der Henker davor holen, du mußt mir das eine lassen, davor kann dich nichts helfen! Nur geschwind, lasse eines hie, und mit dem andern magst du an einen Galgen reiten, wohin du willst. Wer weiß, ob du nicht[373] der Täter selber gewesen und meinen Sohn Pongratz über die Mähre hinuntergeschossen hast!‹ Als ich den närrischen Vater solche Wort wider mich reden hörte, satzte ich mich wieder auf meinen Gaul, und das andere Pferd nahm ich in die Hand, damit ich so schnell wieder hinweggeritten, als ich hergekommen. Im nächsten Dorf versilberte ich solche einem Filialaufschläger, welcher ehedessen zu Franckenburg Hofwirt gewesen. Und mit demselbigen Geld schaffte ich mir saubere Kleider und dienete viel Jahr unterschiedlichen Bauren, bei welchen es mir durcheinander gegangen, wie das Wetter zu gehen pfleget.«

Bis hieher hatte mir der Jost einen ziemlichen Teil seines Lebenslaufs erzählet, und er wäre ohne allen Zweifel weiter fortgefahren, wenn wir nicht so bald in das Schloß gekommen und er dardurch wäre verhindert worden, weil er die Pferde wieder absatteln und dieselbe mit Beihülf des Stalljungen in die Schwemme hätte reiten müssen. Wahr ist es, daß ihm das Glück ziemlich gestiegelfritzet und er sich so wohl als ein anderer in der Welt herumgeschleppet. Nichts verwunderte mich mehr, als daß er die Veronia schon in seiner Jugend bedienet. Dahero wissen die Tausendste nicht, wer des andern sein Freund und Schwager ist. Das Exempel des verhureten Pongratzen ist zu erbarmen genug, und solche Laster pflegen gemeiniglich zu folgen, wenn man der Jugend gar zu freien Zaum lässet, dadurch sich die Eltern oftermalen das bitterste Elend über den Hals ziehen. Aber nichts Liebers möchte ich wissen, als was doch die Huren vor ein Gewissen haben, die sich eine so geraume Zeit ganz verborgen in den Schlössern und andern Häusern aufzuhalten pflegen und sich in einer wissentlichen Todsünd so abscheulich herumschleppen lassen. Letztlich aber ergreift sie Furcht und Zittern und nehmen sich nicht, Weile ihre Kleider zu sich zu raffen. Und obschon diese Hure des Pongratzen nach dem Vorwand der Knechte nicht in das Wasser gesprungen noch sich ersäuft hatte, bin ich doch gewiß und versichert, daß sie nicht viel eines bessern Todes wird gestorben sein, es sei denn, daß sie ihre Fehler beizeiten erkennet und sich von dem Irrweg abgewendet habe. Huren[374] tut wohl auf eine Zeitlang gut, aber zuletzt folget das Verderben. Und ob es schon nicht merklich gespüret wird, ist es doch genug, daß das muntere Gewissen die Hurer nicht anders als feurige Zangen in die Brust zwicket und sie, von ihrer gepflogenen Unreinigkeit überzeuget, ihres eigenen Leibes Henker werden.

Zwischen diesen Gedanken sattelte der Jost die Pferd ab, und ich erzählte meiner Caspia den wunderlichen Verlauf, welcher den ehrlichen Ludwig auf unserm Gut in dem Schafstall betroffen, darüber sie vor Gelächter die Hände auf dem Schurztuch wohl zwanzigmal zusammengeschlagen und sich erfreuet hat, daß der Ludwig, welcher sonsten andere ziemlich stiegelfritzen konnte, selbst wäre über den Tölpel geworfen worden.

Quelle:
Johann Beer: Die teutschen Winter-Nächte & Die kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt a. M. 1963, S. 369-375.
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