IV. Von der Ufftrungischen Höle, die Heimkäle genannt.

[66] Diese Höle findet man in der Graffschafft Stolberg gegen den Vor-Hartz, nicht weit von dem Dorffe Ufftrungen auff der mitternächtigen Seite des Berges, so an den Stolberg stösset, und die Schabeleite genennet wird: über dem Eingang derselben hänget ein hoher und stickler Steinfels, welcher manchen, so diese Höle besehen will, fürchtend machet, daß etwa ein Stein davon losbrechen, und ihm auff den Kopff fallen möchte, und dieses nicht ohne Ursach, weilen derselbe aus keinem festen, sondern nur mürben und losen Kalck-Stein bestehet, dahero die Curiosi, sonderlich so furchtsam sind, sich nicht lange unter selben auffhalten, sondern bald darunter wegmachen, und zu dem Eingange begeben, der an sich selbst geraumig und weit, aber zu lincken Hand durch die herab geschossene Steine des jetzt gedachten Felsens zum Theil verschüttet ist, auch mit der Zeit von denen nachfolgenden Steinen mehr und mehr vermuthlich verstopfet werden möchte: wenn man nun durch den Eingang gelanget ist, so hält man sich gegen Abend, und trifft als denn eine[66] grausaume Höle an, in welcher man hinunter steiget, und bald darauff zur rechten Hand derselben bei ein klares Wasser kömmet, welches, derer Führer Aussage nach, weder zu noch abnehmen, sondern bei einer Tieffe beständig verbleiben soll. Dieses Wasser machet der Länge der Höle nach, gleichsam einen See, und fallen von der Decke der Höle continuirlich Wasser-Tropffen mit einem Geräusche in dasselbe. Neben diesem unterirdischen See gehet man vorwärts über die von oben herab gefallene Steine fort, und wird also von dem Führer auff einen Platz gebracht, welcher des Orts Gelegenheit nach ziemlicher massen gleich und eben ist, alwo auch die Höle eine ziemliche Höhe hat, und die Decke derselben bei einer Flamme einer Fackel anzusehen ist, als wenn dieselbe mit einer dunckel-rothen Farbe wäre angestrichen worden. Ferner steiget man von diesem Platz durch ebene und unebene Oerter über sich nach dem Ort, wo vormahls der Ausgang der Höle in den Ober-Theil des Berges, darinnen dieselbe lieget, gewesen, nunmehro aber mit Steinen gantz und gar zugefallen ist; derowegen auch der Rück-Weg wieder durch eben die Oerter, wodurch man biß dahin kommen, muß genommen werden; wenn nun solches verrichtet, so zeiget der Führer denen Curiosis die bei dem Eingange zur Rechten gegen Mitternacht gelegene Höle, so aber gegen die vorige klein, und auff dem Boden voller Wasser ist. Diese Heimkäle wird öffters von curieusen Personen besuchet, und ist ebenfalls der Tropff-Stein darinnen, wie in vorgedachten Hölen zu finden, ja ich vermeine auch, daß man daselbst das gegrabene Einhorn vielleicht antreffen würde, wenn man fleißig nachsuchen, und darnach graben liesse, besorge aber gleich darbei, daß nunmehro, da solches keine Rarität mehr, und anderswo häuffig um einen wohlfeilen Preis zu haben ist, niemand dergleichen Mühe auff sich nehmen wird.

Quelle:
Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa oder Curiöser Hartz=Wald [...], Nordhausen 1899 [Nach der Ausgabe Nordhausen 1703], S. 66-67.
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