V. Von denen bei Stiege und Hertzberg gelegenen Wolffs-Gärten.

[167] Weilen die Wölffe in dem Hartz grossen Schaden verursachen, und nicht allein das wilde, sondern auch allerhand zahme Vieh, insonderheit die von Nordhausen und andern Orten zu Sommers-Zeit in die Weide dahin getriebene Kühe und Rinder, wie ich selber einesmahls mit meinem Schaden erfahren, zu Schanden reissen und auf-fressen, so wird solchen auff viele Art und Weise nachgestellet, am meisten aber ihnen mit denen Wolffs-Gärten Abbruch gethan, weilen dieselben an einem Ort, wo das Holtz am dickesten ist, und der Wolff sich gern auffhält, angeleget werden. Einen solchen Garten trifft man nicht weit von dem Hoch-Fürstlichen Braunschweigischen Lüneburgischen Wolffenbüttelischen Amt Stiege an, welcher viereckicht, über eine Viertel-Meile lang und breit, auch mit hohen Plancken umgeben ist. Der Eingang ist wie ein ziemlich breiter Thor-Weg weit, und befindet sich gegen Morgen zur Rechten des Gartens an der Ecke, alwo auch auswendig ein Häuslein gebauet worden, darinnen ein Tuch und Garn zum folgenden Gebrauch verwahret wird: Von diesem Eingange gehet ein breiter Weg durch das in dem Garten befindliche dicke Holtz, nach einem gegen Abend zur Lincken in der Ecke des Gartens vorhandenen blossen Platze, alwo man das Luder, als todte Pferde oder Kühe, auff diesen Weg hinschleiffen lässet. Gegen Mittag ist, nicht weit von der gegen Morgen zu gehenden Ecke, die Plancke etwas niedrig, und darhinter, ausserhalb des Gartens, ein Fall oder eine grosse und tieffe Wolffs-Grube gemacht, die mit Reis-Holtz bedecket wird. Ferner hat dieser Garten inwendig an der Plancke herum einen schmalen Weg oder Fuß-Steig, auswendig aber einen rechten breiten Fahr-Weg, an welchem[168] gegen dem Luder-Platz über auf einem sehr hohen Baum, damit die Wölffe von dem hierinnen zu Zeiten vorhandenen Jäger keinen Wind haben können, ein Jäger-Häusgen stehet, und ist noch ein anders und grössers Jäger-Häuslein nach Mitternacht gegen die Ecke des Gartens gebauet, in welche ein Glöcklein henget, so von einer Linie oder dünnem Strick gezogen wird, welcher auff den Bäumen hin in Rollen biß zu dem vor besagten auff dem Baum befindlichen Häuslein gehet, und, der Länge wegen, einen halben Centner schwer sein soll. Endlich ist von dem auff der Erde vorhandenen grössern Häuslein gegen den um die Plancken gehenden Fahr-Weg ein Fuß-Steig bis zu dem Eingang des Gartens gemacht. Wenn dann die Jäger vermercken, daß die Wölffe das Luder gerochen, und davon gefressen haben, so steiget einer zu der Zeit, da die Nächte etwas helle sind, auff den Baum in das Häuslein, die andern hingegen begeben sich in das andere, wo das Glöcklein henget. So bald nun zu Nacht die Wölffe sich in dem Garten bei dem Luder versammlet haben, ziehet der Jäger so vielmahl an dem Stricke, als er Wölffe vermercket, auff welches Zeichen die andern Jäger sich nach dem Eingang eilends fortmachen, und vor denselben das vor gemeldete Tuch und Garn ziehen, bei welcher Arbeit einer von denselben mit einem oder mehr hierzu abgerichteten Hunden in den Garten gehet, und auff einen gegen der Wolffs-Grube über stehenden Stamm oder Baum steiget, aldar er Achtung geben muß, wie viel Wölffe in die Grube springen, ingleichen ruffet er auch die Hunde wieder zurücke, wenn dieselben etwa denen Wölffen nachfolgen wollen; unterdessen gehen die Hunde auff die Wölffe loß, die denn nicht ermangeln, einen Ort zu suchen, wo sie durchzukommen gedencken, doch vergebens, massen die Plancken viel zu hoch dahin sind, derohalben sie so lange in dem Garten an denen Plancken herum lauffen, biß dieselben vor die Grube kommen. Weilen es nun alhier nicht so dunckel als an andern Orten des Gartens ist, indem nicht allein die Plancke sich niedriger, sondern auch zu Nacht die Gegend nach Mittag heller als andere befindet, so vermeinen die Wölffe da hinaus zu kommen, und springen also[169] in die Grube hinein. Hierauff wird des Morgens früh ein sonderlich zugemachter Karren bei die Grube geführet, in welche ein Jäger mit einer Leiter steiget, wirfft einem Wolff den Strick um den Hals, leget demselben einen Knebel um das Maul, damit er nicht beissen kann, bindet dessen Vorder-Füsse zusammen, und ziehet also einen nach dem andern aus der Grube in den Karn, welcher alsdenn nach Wolffenbüttel oder wohin solches die Gnädigste Herrschafft verlanget, geführet wird. Auff solche Art werden die Wölffe lebendig gefangen, und stellet man damit Lust-Jagten an. Zu verwundern ist es, daß solche, dem Bericht nach, wenn sie also gefangen worden, sehr gedultig und fromm sind, da sie doch sonst trefflich um sich beissen. Diese Invention von Wolffs-Gärten wird vor die beste gehalten; und bin ich berichtet worden: wie man im vergangenen 1702ten Jahr vier und zwanzig Wölffe darinnen gefangen. Nechst vor gedachten ist auch ein anderer Wolffs-Garte nicht weit von Hertzberg im Hartz vorhanden, er soll aber nicht so gut als dieser sein, weilen der Fang inwendig im Garten ist.

Quelle:
Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa oder Curiöser Hartz=Wald [...], Nordhausen 1899 [Nach der Ausgabe Nordhausen 1703], S. 167-170.
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