Vierter Auftritt

[7] Xaver kömmt etwas verstört herein, grüßt Wagnern, und setzt sich dann unruhig an einen Tisch, wo er den Kopf stützt. Die übrigen bemerken ihn, fahren aber in ihrem Gespräche fort.


MARIANE. Das einzige, was mir noch auf dem Herzen liegt, ist Rochus. Wie wird er seinen Verlust ertragen! Es ist ein so rachsüchtiger Mann.

WAGNER. Er wird wüthen. Der Grad seines Schmerzes wird den Grad Ihrer Freude weit übertreffen; denn der Schritt zum Reichthum erweckt Lust, aber zehnfach mehr Unlust der Schritt zur Armuth.

MARIANE. Ich wünschte, daß wir mit ihm nicht in einer Stadt lebten.

WAGNER. Ich wünschte selber, daß Sie eine Zeitlang aufs Land gehen könnten, bis die erste Wuth vorüber ist. Wenn nur das Amt Ihres Mannes Sie nicht fesselte.

MARIANE. Er wird es aufgeben, und dann können wir leben, wo wir wollen. Gehn beide auf und nieder. Aber was fehlt Dir, Xaver? Heute, da wir alle voll von Freude sind, sitzest Du so trübsinnig da? Was ist Dir? Rede![7]

XAVER. O nichts, nichts, Mutter!

MARIANE. Nichts? Nein, es ist gewiß etwas, ich sehe es Dir an. Wie könntest Du heute so mißvergnügt seyn? Gesteh es Xaver, was ist Dir widerfahren? Du schweigst? Rede, ich bitte Dich! Hast Du das Zutrauen zu Deiner Mutter verloren?

XAVER. Ich will Ihnen alles sagen, wenn wir allein sind.

MARIANE. Sage es nur jetzt; Du weißt, daß wir vor Herrn Wagner keine Geheimnisse hahaben.

XAVER. Ich bin sehr unglücklich gewesen.

MARIANE. Unglücklich? Du erschreckst mich! Geschwind, laß mich nicht lange in der Unruhe! Was ist Dir geschehen?

XAVER. Ich war so voll Vergnügen über unsern gewonnenen Prozeß, daß ich auf ein Kaffeehaus ging. Da habe ich gespielt, und alles Geld verloren, das ich in meiner Sparbüchse hatte, ach und mehr noch; ich habe nicht alles bezahlen können.

MARIANE. Gespielt hat mein sonst so guter Xaver, so hoch gespielt, und so viel verlohren? Das ist nicht gut, mein Sohn!

XAVER. Ich bin außer mir vor Scham! Daß meine ganze Sparbüchse ausgeleert ist, das[8] wollte ich noch verschmerzen, aber daß ich mehr verloren habe, als ich bezahlen konnte, daß ich meinen Namen nennen mußte, und daß man hinter mir her zischelte, als ich wegging, o das kränkt mich in der Seele!

MARIANE. Wie viel hast Du noch verloren, das Du nicht bezahlen konntest?

XAVER. Noch eine große Summe, liebe Mutter, noch achtzehn Dukaten.

MARIANE. Du hast sehr viel in den beiden Stunden durchgebracht, wo ich Dich nicht sah, sehr viel! Aber ich will nicht, daß mein Sohn Schulden habe, auch keine Spielschulden. Geht an einen Schreibtisch, und zählt Geld ab. Hier, nimm! Es ist von meiner Ersparniß aus den Zeiten, wo wir noch nichts hatten, als was Deines Vaters Amt einbrachte, und ich habe lange daran gesammelt; aber nimm, und bezahle!

XAVER. O liebe Mutter, ich will alles von meinem Taschengelde wieder sparen, aber lassen Sie es den Vater nicht wissen!

MARIANE. Nein, Xaver, er soll es nicht wissen; ich will diesen Wermuth nicht in seinen Freudenbecher gießen, ich will ihn allein für mich behalten. Aber mein mütterliches Herz hast Du[9] tief durch Deine Unbesonnenheit gekränkt. Nun geh, und bezahle. Xaver küßt ihr die Hand, und geht ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 7-10.
Lizenz:
Kategorien: