Fünfter Auftritt

[10] Mariane, Wagner.


MARIANE. Nun, habe ich's recht gemacht?

WAGNER. Ich glaube es.

MARIANE. Aber hätte ich nicht hart seyn, hätte ich ihn den Schimpf, den er sich selber zugezogen hatte, nicht sollen tragen lassen?

WAGNER. Nein! dadurch wäre er zu tief er: niedrigt worden, und hätte eine Quitung von Schimpf erhalten, auf die er noch hätte hinsündigen können. Sein zartes Gefühl muß geschont werden. Er war außer sich, daß er eine Spielschuld nicht hatte bezahlen können; dabei muß man ihn lassen. Dann wird er um so weniger andere Schulden machen.

MARIANE. Nun bin ich wieder zufrieden. Wir Weiber sind so furchtsam in der Erziehung, daß wir in unserm Benehmen immer gern die Beistimmung eines Mannes haben mögen. Den Verust will ich gern ertragen. Auf ein so großes Glück,[10] als wir gehabt haben, mag immer ein kleines Unglück folgen, da wird man nicht übermüthig. Aber wissen Sie, daß ich noch etwas anders auf dem Herzen habe?

WAGNER. Nun, und was denn?

MARIANE. Sie, als der Freund des Hauses, müssen alles wissen. Meine Theodora kömmt mir seit einigen Tagen ganz verändert vor. Sie ist zerstreut, geht oft ans Fenster, als wenn sie nach jemanden sähe, und stößt zu Zeiten einen kleinen Seufzer aus. Die Mütter haben einen scharfen Blick in solchen Dingen, und ich fürchte, daß zum erstenmal das Knöspchen in ihrem Herzen aufgeblüht ist, woran so viele Dornen sitzen.

WAGNER. Mag es doch! Sie ist achtzehn Jahr alt, und Sie müssen sich Glück wünschen, daß es nicht früher aufgeblüht ist.

MARIANE. Wenn es nur einem edlen Gärtner entgegen duftet!

WAGNER. Prüfen Sie als Mutter; Ihnen liegt dies ob.[11]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 10-12.
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