Siebzehnter Auftritt

[111] Theodora blaß und verweint, kömmt stumm herein, und schaut ihre Mutter mit flehendem Blick an.


MARIANE. Ist dies Jammerbild meine Theodora? Ach, meine Tochter, wie bist Du so verändert in kurzer Zeit!

THEODORA. Keinen Fluch, meine Mutter, Seegen, Erbarmen, und Vergebung!

MARIANE. Ich will Dir nicht fluchen, unglückliches[111] Mädchen; diese bleiche Wange, dies thränenblutende Auge läßt keinen Zorn auflodern. O Theodora, auch ohne den Fluch Deiner Mutter ist Dein Daseyn jammervoll. Eine Lebenszeit vermag nicht abzuwischen, was ein Augenblick befleckt hat.

THEODORA. Weh mir Unglücklichen! –

MARIANE. Komm an das Herz Deiner Mutter, weine Deinen Jammer aus. Sie fallen sich einander in die Arme. Stumme Pause. Sage mir Theodora nun das einzige noch: liebst Du den, der Dich verführt hat?

THEODORA. Ich liebe ihn unaussprechlich.

MARIANE. Glaubst Du glücklich mit ihm seyn zu können?

THEODORA. Ohne ihn mindestens nicht.

MARIANE. Nun wohl, meine Tochter, fasse Muth! Die Gesetze werden Dir beistehen, und den Verführer zu seiner Pflicht rufen. Aber itzt muß ich mich im Freien erholen; im Zimmer ist mir so bange. Kommt ihr beiden übrig gebliebenen Theuren in mein Gärtchen hinab, der Abendluft zu genießen.

WAGNER. Jetzt erst fühle ich Ihren Werth, Mariane; das Unglück prüft die Menschen. Alle drei ab.[112]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 111-113.
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