Zweiter Auftritt

[125] Zimmer Marianens. Mariane, Wagner treten auf.


WAGNER. Seltsame Gerüchte verbreiten sich, und die wahren heraus zu finden ist schwer.

MARIANE. Sehr schwer. Es sind Dinge unter unsern Augen vorgegangen, an die auch der Schauende kaum zu glauben vermag.[125]

WAGNER. Rochus ermordet mitten im Schoße des Glücks sich selber, sein Sohn wird wahnsinnig und seine Tochter heirathet den Todfeind ihres Vaters.

MARIANE. Ob sie glücklich zusammen leben mögen?

WAGNER. Zum Glücke gehört Ruhe des Herzens, und die scheint Faust nicht zu besitzen.

MARIANE. Nein, er kann sie schon darum nicht besitzen, weil er sein armes Weib so unglücklich gemacht hat.

WAGNER. Und wollte der Himmel, daß es dies allein wäre! Ich muß rein vom Herzen weg sprechen; Mariane, es scheint mir, als wenn Faust etwas Großes auf seinem Gewissen hätte.

MARIANE. Warum?

WAGNER. Sein schneller Uebergang von der höchsten Lustigkeit zum Schmerz, sein plötzliches Auffahren, wenn er vorher tief in Gedanken saß, die Heftigkeit in seinem ganzen Betragen, die Sucht nach Geräusch, nach Zerstreuung, alles dies zeigt mir, daß ein Wurm an seinem Herzen nage.

MARIANE. Aber welch ein Wurm kann dies seyn?

WAGNER. Das geheimnißvolle, flüsternde Gerücht sagt, er sey der Mörder des Rochus.[126]

MARIANE. Allmächtiger Gott! – Aber wie ist das möglich?

WAGNER. Ich vermag es selber nicht zu fassen; denn es ist erwiesen, daß Faust in der Nacht, worin der Mord geschah, zu Hause war, und daß auch Rochus sein Zimmer nicht verließ. Aber etwas schreckt mich fürchterlich bei dieser Begebenheit. Ich habe den Dolch gesehen, den Rochus Leichnam in der Hand hielt, und es war derselbe, den sonst Faust besaß.

MARIANE. Gott erbarme sich! das ist eine schreckhafte Erscheinung.

WAGNER. Dies alles, und der plötzliche Wahnsinn des junges Rochus macht mich so verwirrt, daß ich nichts klar zu sehen vermag.

MARIANE. Mich macht es noch unglücklicher, als ich schon war. O Gott, was wird aus Faust werden, und was ist schon aus ihm geworden!

WAGNER. Wenden Sie Ihren Blick von ihm ab! Er ist auf immer für Sie verloren.

MARIANE. Aber seitdem er wieder reich ist, hat er mich oft unterstützen wollen. Er hat mich gewiß nicht vergessen, und wohin soll ich mein Auge wenden?

WAGNER. Auf einen andern Mann, der es werth ist, Sie glücklich zu machen.[127]

MARIANE. Eine arme und geschiedene Frau muß solche Ansprüche aufgeben.

WAGNER. Nein warlich nicht! Eine Mariane verdient das glücklichste Loos in der Ehe zu haben; wollte Gott, ich vermögte Ihnen dies zu gewähren.

MARIANE. Ihre Freundschaft, Wagner, bedeckt meine Schwächen, und erblickt mich in einem zu vortheilhaften Lichte.

WAGNER. Nein, Mariane, Sie sind ein edles vortreffliches Weib, dessen Hand mich unendlich glücklich machen würde. Warum soll ich dies länger verhehlen? Ich habe nur wenig Einkünfte, aber sie reichen hin, eine so genügsame Frau zu erhalten. Darf ich hoffen?

MARIANE. Der Antrag kömmt sehr schnell.

WAGNER. Aber er ward reiflich überlegt, und stammt schon aus den Zeiten her, wo Sie unglücklich wurden, und wo Sie sich in Ihrem Unglücke so groß bewiesen.

MARIANE. Das ist von Ihrer Seite sehredel, und für mich sehr schmeichelhaft.

WAGNER. Lassen Sie mich nicht länger in dieser quälenden Ungewißheit! Verlängern Sie die ängstliche Zeit nicht, in welcher das Glück meines Lebens entschieden wird.[128]

MARIANE. Ich gebe mich Ihnen, Wagner, und gebe mich Ihnen mit Ruhe; denn ich kenne Sie schon lange, und weiß, was ich thun darf.

WAGNER. O ich Glücklicher! – Umarmt sie. Mariane, das tugendhafte, edeldenkende Weib ist mein! Wie soll ichs fassen! Kommen Sie, Mariane! Wenn man recht glücklich oder unglücklich ist, so muß man unter der Wölbung des Himmels seyn. Ihr Gärtchen, dieser Freund, der Ihre stille Tugend sah, soll der Zeuge unsrer Verlobung seyn! Beide ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 125-129.
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