Achter Auftritt

[146] Paulina. Faust.


FAUST. Paulina hat nach mir gesandt, was begehrt sie von mir?

PAULINA. Etwas Großes und Wichtiges; etwas, dessen Gewährung Du Deiner Gattinn schuldig bist. Faust, Du lebst in einem unnatürlichen, unruhigen Gemüthszustande; sage mir, was die Ursache davon ist?

FAUST. Warum willst Du sie wissen?

PAULINA. Weil unser beider Lebensglück davon abhängt.

FAUST. Unser beider? Ha, ha, ha!

PAULINA. Lache nicht, Faust; die Sache ist mir sehr wichtig.

FAUST. Mir auch.

PAULINA. Und dennoch scheinst Du so leicht darüber hinzugehen?

FAUST. Leicht? Ha, ich wollte, Du sprächst wahr.

PAULINA. Oeffne mir Dein Herz, Faust, theile mir mit, was es belastet!

FAUST. Hast Du je gehört, daß man dem[146] Kinde ein Scheermesser, oder ein glühendes Eisen in die Hand gab?

PAULINA. Ich weiß nicht, wohin das Gleichniß zielt; aber eine Gattinn hat mehr Ansprüche zu machen, als ein Kind. Faust, Deine Laune, Dein wildes Wesen, Dein ganzes Betragen macht mich unglücklich.

FAUST. Wenn Du unglücklich bist, so rechte mit dem dort oben; er hat die Erde zu einer Herberge des Unglücks gemacht.

PAULINA. Nein, Faust, Du machst sie für mich dazu! Deine unnatürliche Gemüthsstimmung verbittert mein Leben, und Du bist mir schuldig zu sagen, woher sie rührt.

FAUST. Wirklich? – Ha, ha, ha!

PAULINA. Begegnet man so einer Gattinn? Ich bin kein Kind, Faust, für das Du mich zu halten scheinst!

FAUST. Nicht? – doch! – Was mich betrifft, bist Du ein Kind, ein neugebornes Kind. Ha, ha, ha!

PAULINA. Nein, das ist zu schrecklich! Du vergißt, daß ich Dich als einen Verzweiflungsvollen geheirathet, und wieder zu einem Manne gemacht habe.[147]

FAUST. Hhhu! –4 Aber ich kann ja wohl Geduld mit einem Weibe haben, das ich durch wenig Worte zu Boden zu donnern vermag.

PAULINA. Durch welche Worte willst Du mich zu Boden donnern? Ich fürchte mich vor Worten nicht!

FAUST. Armes Geschöpf! Ich will Dich ja schonen! – Hast Du schon eine Schlange gesehen, die als ein unförmlicher Klumpen zusammengerollt da lag?

PAULINA. Ich weiß nicht, wohin die seltsame Frage deutet, und will sie nicht beantworten.

FAUST. Sieh, wenn ein unvorsichtiger Wanderer mit seinem Fuß an den Klumpen stößt, so entwickelt er sich plötzlich zu einem giftigen Ungeheuer, und tödtet durch seinen Hauch. – Ein solcher Klumpen ist mein Geheimniß; willst Du es noch wissen?

PAULINA. Du suchst mich durch fürchterliche Worte zu schrecken; aber ich will es wissen.

FAUST. Unglückliche, wecke den schlafenden Drachen nicht auf![148]

PAULINA. Hat er geschlafen? Ich dächte, er hätte gewacht.

FAUST. Er hat geschlafen, sag' ich Dir, tief geschlafen, betäubt da gelegen!

PAULINA. Nun, so mag er erwachen! Ich bin satt, so zu leben, und will wissen, was mich unglücklich macht.

FAUST. Wohl, so brich die erste Rose von meinem Geheimniß! – Daß Dein Bruder an Ketten liegt, ist mein Werk; ich habe ihm den Trank gereicht, der ihn wahnsinnig machte.

PAULINA. Wie? Du? Allmächtiger! so etwas ruht auf Deinem Gewissen?

FAUST. So etwas! Und noch etwas anders. – Dein Vater war ein großer Sünder; weißt Du, wer ihn gemordet hat? Ich habe ihn gemordet! Ich habe ihn mitten aus seinen Missethaten zur Hölle gesandt.

PAULINA. O barmherziger Gott, Schrecken und Entsetzen ergreift mich! Welch ein Ungeheuer habe ich mit meinen Armen umschlungen?

FAUST. Merkst Du was? – Siehst Du, und dies war Kinderspiel; was ich Dir noch zu sagen habe, dagegen schwinden diese armseligen Thaten wie der Hauch des Zephyrs vor dem Donnersturm. Du hast mich gereizt, Elende! So bald[149] Du dies letzte wissen willst, sende zu mir; ich will Dein Herz alsbald damit erfreuen! Ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 146-150.
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