Dritte Verwandlung

[156] Ein enger dichter Wald. Faust und Gog treten auf.


FAUST. Ist denn kein Geschöpf mehr auf der Erde, an das ich mich anschließen könnte? kein Geschöpf mehr, dem mein Vertrauen offen stehen dürfte? – Gog, kannst Du nicht an Leib und Seel' ein Mensch werden?

GOG. Freilich kann ich das. Ich kann mich in jeder Art verstellen; ich kann Gefühl und edle Empfindungen heucheln, ich kann edle Sentenzen aussprechen.

FAUST. Nein, wenn es nicht aus dem Herzen kömmt, so mag ich's nicht hören. Rede aus[156] Deiner Seele, rede ganz, wie ein Teufel denkt. Hörst Du?

GOG. Das kann ich wol. Sieh, wenn ich den Rheinfall sehe, so wünsche ich, daß er auf ewig vernichtet seyn möchte, damit nie ein Sterblicher wieder Vergnügen daran finde, und wenn ich ein liebliches Gefilde von glücklichen Menschen bewohnt erblicken muß, so denke ich an das Erdbeben, das sie in den Abgrund stürzen wird.

FAUST. Hu! – Findest Du denn an nichts Vergnügen?

GOG. Allerdings! An den Jammertönen des Schmerzes, an den Seufzern der unterdrückten Unschuld, an allen Krämpfen der lebenden Natur.

FAUST. Und mit diesem Ungeheuer steh ich im Bunde? mit diesem Verworfenen bin ich zusammen gekettet? Abschaum der Hölle, ich werde nie ein Teufel seyn!

GOG. Desto schlimmer für Dich!

FAUST. O Du sollst mich nicht schrecken, Du sollst mir durch Deine teuflischen Winke den Genuß, der hienieden noch für mich ist, nicht verbittern. Nein! Du, der am Jammer nur Vergnügen findet, Du sollst mir Genuß verschaffen! Ich will den schönsten Ort sehen, der je auf der Erde war.

GOG. Den schönsten Ort? Wo ist er?[157]

FAUST. Ich wußte es vorher schon, dummer, seelenloser Teufel, daß Du ihn nicht kanntest; denn der Ewige hat Euren Verstand verfinstert in allem, was gut ist. – Ich will das Paradies sehen.

GOG. Das Paradies? Was forderst Du? Es ist ja nicht mehr vorhanden!

FAUST. Aeffe es nach, Schwachkopf! Ich will die Gefilde sehen, aus welchen der Pison, der Gihon, und der Phrath ausfließen; ich will die ersten Menschen, ich will den Sündenfall sehen.

GOG. Nein, das kann ich Dir nicht zeigen; das vermag nur Satan, der Schöpfer des Sündenfalls.

FAUST. Fahre hin, und fordre seine Hülfe!

GOG. Ungenügsamer Fordrer, wirst Du nie satt?

FAUST. Fort! ich befehle es! Gog verschwindet. Ich will versuchen, ob nichts mehr meine Seele mit den sanften Freuden eines stillen Genusses erfüllen kann; ob ich alle menschliche Freuden durch den Bund mit der Geisterwelt verspielt habe? dann hätte ich einen schrecklichen Kauf gemacht.

GOG erscheint wieder. Komm, kühner Geisterbändiger, Du sollst sehen, was seit Erschaffung der Erde noch kein Sterblicher sah. Führt ihn hinweg.[158]

Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 156-159.
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