Fünfter Auftritt.

[18] Karoline. Ferdinand. Dann Stramberger.


KAROLINE. Hören Sie mal, Sie, nehmen Sie sich vor mir in acht! Sie zeigt ihm drohend die Hand.

FERDINAND für sich. Der Verfasser hat sich getäuscht – sie hält mich vielleicht für einen Verführer – Er wirft das Buch weg. Weg damit!

KAROLINE. Hören Sie mal, Sie sind ja wohl derselbe, der mir gestern abend unten im Hanse aufpaßte? Was wollen Sie denn eigentlich?

FERDINAND. Ich? O nein – das heißt, wollen wollt ich, will ich wohl was –

KAROLINE. Naht sich wohl ein anständiger Mann einem Mädchen zum erstenmal im Finstern?[18]

FERDINAND. O nein, es kann auch hell sein. Ich aber, ich liebe ie, Karolinchen, und ich werde nicht eher dieses Zimmer verlassen, bis ich Gegenliebe finde.

KAROLINE lacht. Wir sind ja auf der Straße!

FERDINAND. Ach so! Das sieht so in dem Buche – wollt' ich sagen – Karlinchen, Sie find recht stichlich, wie 'ne Distel – aber ich liebe die Disteln.

KAROLINE. Ich liebe aber nicht die, die Disteln lieben. Sie wären der letzte, den ich lieben könnte.

FERDINAND. Es wäre auch schrecklich, wenn Sie nach mir noch einen lieben könnten.

KAROLINE. Müssen Sie denn immer antworten?

FERDINAND. Ja, ich bin wie ein Operngucker, je mehr man ihn schraubt, desto schärfer wird er.

KAROLINE. Was sind Sie denn eigentlich?

FERDINAND. Vorläufig noch Kellner, aber ich habe bereits ein Etablissement gepachtet und beabsichtige, nächstens dasselbe zu eröffnen. Ich werde den Leuten was zeigen!

KAROLINE. So? Na was denn?

FERDINAND. Hören Sie.


Nr. 3. Duett.


FERDINAND.

Alles wird staunen sehr!

Ich stell' was Großes her;

Ich schaff' 'nen neuen Reiz,

Ich bau' 'ne Berliner Schweiz.

KAROLINE.

Das scheint bedenklich mir,

Das scheint verfänglich mir;

Die Sache ist zu schwer,

Wo kriegt 'nen Berg man her?

FERDINAND.

Den Berg stellt Hiltl1 auf,

Gletscher malt Gropius2 drauf,

Und das Eis kriegt man zu Kauf

Von Kranzeleer.3[19]

KAROLINE.  FERDINAND.
Den Berg stellt Hiltl auf,  Hiltl auf,
Gletscher malt Gropius drauf,  Gropius drauf,
Das Eis kriegt man zu Kauf  Zu Kauf
Von Kranzeleer.
Dui dui dui dudelde.  Lalala.

FERDINAND.

Ich hab' in mancher Nacht

Die Sache wohl durchdacht.

Das Ding ist nicht so arg,

So 'n bißchen Steiermark!

KAROLINE.

Mir scheint es nicht so leicht,

Denn wo man Berge steigt.

Das sieht ein jeder ein,

Muß auch ein Echo sein.

FERDINAND.

Das Echo ist nicht schwer –

Ich stell's mir billig her,

Stell' hintern Berg mich nur

Und schrei retour.

BEIDE wiederholen wie vorher.

KAROLINE.  FERDINAND.
Das Echo ist nicht schwer.  Ist nicht schwer usw.

FERDINAND.

Und wenn's sich machen läßt,

Geb ich ein Schützenfest –

Das wär erst originell,

So à la Wilhelm Tell!

KAROLINE.

Der Plan der wär' ganz neu,

Aber die Polizei

Macht dir wohl viel Verdruß

Weg'n dem Bogenschuß!

FERDINAND.

Ein Pustrohr wird aufgepfropft,

Geßler wird ausgestopft,

Und so neu kleinen Tell,

Den kriegen wir schnell.

BEIDE wiederholen.

KAROLINE.  FERDINAND.
Ein Pustrohr wird aufgepfropft.  Aufgepfropft usw.

FERDINAND.

Und wenn das Ding floriert,

Wird Sonntags annonciert:[20]

Heut großes Alpenglühn –

Das würde sicher ziehn.

KAROLINE.

Jawohl, das würde ziehn!

Heut' großes Alpenglühn,

Und dann im Garten vorn,

Konzert mit Alpenhorn.

FERDINAND.

Doch darf's nicht teuer sein,

Entree sechs Dreier sein.

Das ist was für Berlin,

Da stürzen sie hin!

BEIDE wiederholen.

KAROLINE.  FERDINAND.
Doch darf's nicht teuer sein  Teuer sein,
Entree sechs Dreier sein,  Dreier sein,
Das ist was für Berlin,  Für Berlin.

Da stürzen alle hin. Da stürzen alle hin!


Nach dem Duett kommt Stramberger, der Gardedragoner.


STRAMBERGER ruft. Karoline.

KAROLINE. Ah, guten Morgen, Stramberger. Sie hängt sich an seinen Arm und geht an seiner Seite, Ferdinand stolz messend, ab.


1

Hoftapezierer.

2

Dekorationsmaler.

3

Kranzler, bekannte Berliner Konditorei.

Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 18-21.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Reuter, Christian

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.

40 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon