Dreizehnter Auftritt.

[55] Bremser. Nünecke. Polizeileute. Später Schneppke.


BREMSER schließt die Tür hinter Agnes und will das Eingangstor hinter Brand ebenfalls zusperren.


Es wird geläutet.


NÜNECKE wird von Polizeibeamten nebst Rapport eingebracht.

BREMSER. Heute geht das Geschäft!

GENDARM geht nach Abgabe des Rapportes an Bremser wie immer wieder ab.

NÜNECKE etwas betrunken, mit verbundenem Kopfe, für sich. Bis jetzt habe ich mir die Geschichte ruhig mit angesehen – die werden Augen machen, wenn sie hören werden, wer ich bin. Laut. Wissen Sie, wer ich bin?

BREMSER der den Rapport liest. Ein Betrunkener –

NÜNECKE freudig, für sich. Er kennt mich nicht. Soll ich es ihm gleich sagen? – Nein, er könnte zu sehr erschrecken. Laut. Wissen Sie, was ich gemacht habe?[55]

BREMSER. Geprügelt haben Sie sich – und dem Wirt eine Bierlokals mit einem Seidel ein Loch in den Kopf geworfen, so groß wie 'n Achtgroschenstück.

NÜNECKE. Was ich mir davor koofe. Wissen Sie denn, wie es gekommen is? Es war die Rede von meinem Geschwisterkind, von der Brand Agnes, die gegenwärtig sitzt, aber unschuldig. Nun behauptete der nichtwürdige Kerl von Bierwirt, sie hätte wirklich gestohlen. – Ich sage: Herr, wie können Sie das sagen? Noch ist kein Richterspruch gefällt und so lange nichts gefällt ist, tun Sie mir den Gefallen und schweigen Sie. Bei diesen Worten nehme ich mein Seidel Bier und will trinken, er aber will mir mit seinem Kopfe Ziegenbockstoß- Pantomime. aus der Hand schlagen und stoßt sich 'n Loch in die Stirne. Ist das erlaubt?

BREMSER ironisch. Nein. Besonders von einem Wirt gegen einen Gast.

NÜNECKE. Jetzt wollte er noch Geld raus haben, det heeßt vor des Glas. Nu wurde ich aber grob und habe ihn aus sein Lokal rausgeworfen und ein paar Kellner, die mir in den Weg kamen – Er macht links und rechts die Bewegung des Zubodenwerfens. Was aus die geworden ist, weeß ick nich.

BREMSER. Wir können ja mal morgen in die Totenliste nachsehen.

NÜNECKE. Na ja, was ich mir davor koofe!

BREMSER aus der Luke in seiner Tür. Guten Tag ooch, Herr Nünecke. Wat machen Sie denn hier? Kennen Sie mir denn nicht mehr? Ich bin ja Schneppke, Ihr alter Stammgast aus Rixdorf, vom Schweinausschieben.

NÜNECKE erkennt ihn. Herrjes, Schneppke! Wie geht es Ihnen denn? Kommen Sie denn nich bald mal wieder 'n bißken raus?

SCHNEPPKE. Nee, ick habe jetzt keine Zeit. Ick bin hier angestellt.

NÜNECKE. Na, das lassen Sie mal gut sein, das kost't mich ein Wort, denn sind Sie draußen. Zu Bremser. Hören Sie mal, Sie, nu kommen Sie mal her, nu will ich Ihnen sagen, wer ich bin und dann will ich machen, daß ich nach Hause komme. Ich bin – Er sagt Bremser ins Ohr. der Schulze von Rixdorf.[56]

BREMSER sich über ihn lustig machend, mit affektiertem Aspekt. Ah – allen Respekt!

NÜNECKE. Was ich mir davor koofe! Aber es ist doch gut, wenn der Mensch was ist. Zu Bremser, vornehm. Wenn Sie mal was durchgesetzt haben wollen, bei des – Er besinnt sich. Philisterium des Innern –

BREMSER dem es nun zu viel wird. Schon gut. Im strengsten Amtston. Vorläufig gehen wir auf Nummer.

NÜNECKE. Was? Ich? Der Schulze?

BREMSER. Schulze oder Müller! Machen Sie keine Umstände.

NÜNECKE plötzlich sehr kleinlaut. Wat ick nur da vor – gestellt habe! Ich habe geglaubt, Sie machten Spaß, Sie wollten mir bloß aufziehen.

BREMSER. Nee. Hier wird eingezogen.

NÜNECKE. Gotts Donnerstag und Freitag.

BREMSER. Hier gibt's keenen Freitag!

NÜNECKE. Was werden se in Rixdorf sagen, wenn se hören, daß ihr Schulze brummt.


Es wird geläutet.


BREMSER geht nach dem Eingangstor und schließt auf.

NÜNECKE immer kleinmütiger werdend. Es geschieht mir aber ganz recht; ich habe auch manchen als Obrigkeit vor'n Kopp gestoßen.

FRAU NÜNECKE kommt mit einem Erlaubnisschein.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 55-57.
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