Neunzehnter Auftritt.

[62] Die Vorigen ohne Schlicht.


HAHNEKAMM Schlicht nachsehend. Machen Sie, daß Sie alle werden.

FRAU DÖSE. Die Sachen kennt man –

KAROLINE. Wer gestohlen hat, ist ein Dieb, und eine Diebin gehört nicht in anständige Gesellschaft.

FERDINAND entrüstet. Aber Karoline! Habe doch Mitleid! Sieh doch nur, wie bleich sie aussieht.

KAROLINE. Sie sollte lieber rot werden.

FERDINAND. Gebt ihr doch wenigstens einen Stuhl zum Setzen.

FRAU RIBBECKE. Sie hat ja lange genug gesessen.


Gelächter.


FERDINAND zankt mit Frau Ribbecke.

FRAU DÖSE. Ja, ja, es gibt Leute, die sehen aus, als wenn sie nicht Fünfe zählen könnten und hinterdrein haben sie den Gescheitesten zum Narren.

AGNES. Aber Frau Ribbecke, was habe ich Ihnen wohl getan?

FRAU RIBBECKE wendet sich verlegen ab.

HAHNEKAMM welcher schon früher Agnes mir verliebten Blicken betrachtet, hat von dieser einen Blick tiefster Verachtung erhalten. Ich sage bloß, ein Mensch, der 'nmal bestraft ist, der muß nicht noch die Nase so hoch tragen wollen.

FERDINAND. Kerl! Er will auf Hahnekamm zu, faßt sich jedoch, unterdrückt seinen Zorn.

KAROLINE. Wegen Mangel an Beweis freigelassen. Das steht ja wohl immer in der Gerichtszeitung, wenn alles pfiffig[62] abgeschwindelt und abgeleugnet worden ist. Das ist wirklich eine saubre Unschuld!

FERDINAND in voller Wut. Nun ist's gnug, oder – Er nimmt eine drohende Stellung an.

KAROLINE. I sieh mal! Alte Liebe rostet nicht! Ich glaube gar, du möchtest uns alle rauswerfen, um mit deiner früheren Poussade allein zu sein, mit deiner schönen Zuchthäuslerin!

FERDINAND sich bekämpfend, schmerzlich. Pfui, Pfui!

AGNES rafft ihr Bündel auf. O Gott, das ist zu viel – ich gehe ja schon – gleich – auf der Stelle! Soweit mich meine Füße tragen – ich komme gewiß nicht mehr zurück – nie mehr. Ihr habt hart an mir gehandelt – hart und unbarmherzig – mögt ihr es nie bereuen! Sie wankt ab.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 62-63.
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