Vierter Auftritt.

[75] Schlicht und Ferdinand kommen durch den Mittelgang.


SCHLICHT. Also dies ist der traurige Aufenthalt des alten Brand?

FERDINAND. Ja, ich weiß es genau, Herr Justizrat. Die Karoline, meine frühere Geliebte, die jetzt ohne Dienst ist, liegt hier im Hause auch in Schlafstelle.

SCHLICHT. Der Himmel gebe, daß der heutige Tag für den Unglücklichen ein freudiger werde.

FERDINAND. Sie meinen gewiß ehrlich mit ihm, nicht wahr? Sie werden ihm begreiflich machen, daß er seiner Tochter unrecht tut, und bei ihr, der Agnes, werden Sie vielleicht ein gutes Wörtchen für mich einlegen.

SCHLICHT. Glauben Sie denn, daß Sie noch Hoffnung haben?

FERDINAND. Ich war neulich draußen bei ihren Verwandten in Rixdorf, die sie jetzt aufgenommen haben, da hat sie mir allerdings so halb und halb zugesagt, aber sie meinte, so lange ihre Schuldlosigkeit nicht vor aller Welt klar und offen dargelegt wäre, müßte ich mich ja stets noch ihrer schämen.

SCHLICHT. Sie ist damals, als sie frei kam und bei Ihnen eine Zuflucht suchte, von der Gesellschaft bei Ihnen arg behandelt worden.

FERDINAND. Ich beabsichtige, ihr dafür heute eine großartige Genugtuung zu geben.

SCHLICHT. Und worin soll die bestehen?

FERDINAND. Ich habe zu der heut' abend stattfindenden Eröffnung die ganze Sippschaft von damals eingeladen und werde öffentlich vor ihr und der ganzen Welt Agnes meine Hand, mein Herz und mein Haus anbieten.[75]

SCHLICHT. Gut! Auch ich werde mit einigen Ihnen nicht unbekannten Personen bei Ihrem Gartenfeste erscheinen. Überlassen Sie es mir, Ihnen den alten Brand mit rauszubringen.

FERDINAND. Wenn er hört, daß die Agnes frei von ihrer Schuld ist, dann ist gewiß alles mit ihm aufzustellen. Er geht durch den Mittelgang nach links ab. Schlicht begleitet ihn, leise mit ihm sprechend.

BRAND von Karlchen geführt, kommt durch den Mittelgang rechts.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 75-76.
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