Ruhestatt der Liebe /

oder

Die schooß der geliebten.

Bey diesen brennenden und schwülen sommer-tagen

Ließ Chloris sich einmahl in ihren garten tragen /

Und suchte vor dem brand der sonnen eine klufft /

Von kühler witterung und schattenreicher lufft.

Sie setzte sich erhitzt bey einem baume nieder /

Und streckte bald darauff die perlen-volle glieder

In das noch frische gras / geruhiger zu seyn /

Und schlieff auch / wie sie lag / halb von der seiten ein.

Ihr alabaster-leib war nur mit flor bekleidet /

Und weilen man den zwang nicht bey der hitze leidet /

Ward ihre blosse brust im grünen klee gespürt /

Die zur gemächligkeit sie eben auffgeschnürt.

Der sanffte westen-wind / bereit sie abzukühlen /

Ließ seinen othem gleich auff diese wellen spielen /

Und bließ mit stillem hauch bey ihrer süssen ruh

Ihr aus der floren hand die weichsten blumen zu.

Es wiegte gleichsam sie sein angenehmes weben;

Doch als er sich bemüht den leichten rock zu heben /

Riß endlich unversehns von der gestreckten schooß

Der vorgeschürzte flor mit seinem gürtel los.

Hilf himmel / welcher schmuck! was süsse wunderwercke /

Der schönheit gröste pracht mit aller ihrer stärcke /

Der Liebe paradieß ward hier uns auffgedeckt /

So Chloris uns bißher zur sicherheit versteckt.

Das liebste / das man kennt / und doch sich scheut zu nennen /

Weil auch das blosse wort uns schon vermag zu brennen /

War hier insonderheit gantz ungewöhnlich schön /

Und ließ sich auch / vor stoltz / hoch auffgebrüstet sehn.

Es lag wie ein castell von marmor auffgeführet /

[220] In einem liljenthal / den seine gegend zieret /

Des eingang von rubin / und gantze lager-statt

Nichts als ein schatten-werck von myrthen um sich hat.

Es sah von forne zu (hier fehlt der beste pinsel)

Als wie ein grotten-haus / wie jene morgen-insel /

Wo die glückseligkeit den tag zuerst beschaut

Und wo die nachtigall in lauter rosen baut.

Die zwo von helffenbein so rund gewölbten hüffte

Verdeckten diesen sitz als ein paar gleiche klüffte /

Durch deren schutz kein sturm auff das gestade streicht /

Und dieses lust-revier dem steten sommer gleicht.

Kein apffel kan so frisch sich an dem stengel halten /

Kein purpur-pfirsig ist so sanfft und zart gespalten /

Kein kleiner raum der welt hat so viel überfluß /

Als in der Chloris schooß der weisse nabel-schluß.

Die sonne selbst verliebt in so viel zierlichkeiten

Vergaß / dem ansehn nach / im lauffe fortzuschreiten /

Und drung sich durch das laub mit hilfe von dem west.

Die vögel hielten es für ein geblümtes nest.

Die brunnen wollten sich durch diesen garten winden /

Die blumen glaubten hier ihr blumen-feld zu finden /

Die Nymphen waren selbst wie halb darein vernarrt /

Und Zephyr küst es kaum / so fand er sich erstarrt.

Der treue Celadon / dem sie zuvor entwichen /

War ihr ganz unvermerckt von ferne nachgeschlichen /

Und ward des schönen blicks so zeitig nicht gewahr /

Als er zugleich empfand die schlüpffrige gefahr.

Die liebe hieß ihn erst zwar seyne Chloris ehren;

Doch wolte sie ihm auch / als liebe / nichts verwehren;

Und wie sie uns entzückt zu dem geliebten trägt /

Hat selbst sie seine Hand an Chloris leib gelegt.

Er zuckt und bebete / wie leichte feder-flocken /

So sehr er es verlangt / so war er doch erschrocken.

Er tappte wie ein mensch bey dicker finsterniß /

Und wagte nicht die hand / wohin sie doch sich riß.

Was halff ihm alle furcht vor dem geliebten weibe?

Die finger glitten aus auff dem polirten leibe /

Und rollten mit gewalt vor das gelobte land /

[221] Das eine hole faust in allem überspannt.

Du armer Celadon / wie wurdest du betrogen!

Du wärest fast von glut und flammen auffgeflogen /

Wo du der finger brand zu kühlen hingesetzt

Und was du / aus der form / für einen spring geschätzt.

Du fühltest zwar nur samt und lauter weiche seide /

Du hattest in der hand den brunnquell aller freude;

Wo die ergötzligkeit von milch und honig rinnt;

Doch dessen sanffte flut mehr als der schwefel zündt.

Es war der kleine brunn die funcken-reiche stelle /

Wo Aetna feuer holt: die wunder-volle qvelle /

Wo Heclens flammen-fluß aus schnee-gebirgen qvillt /

Und der dem Celadon die adern angefüllt.

Er wuste nicht was er vor hitze sollt beginnen;

Er fieng wie weiches wachs vor ohnmacht an zu rinnen /

Und hätt / ich weiß nicht was / vor raserey vollbracht /

Wenn Chloris nicht davon zum unglück auffgewacht.

Sie stieß / noch voller schlaffs / mit ihren beyden händen /

Den frembd- und kühnen gast von ihren weissen Lenden /

Der ihre zarte schooß durchwühlet und verheert /

Und sprach / als sie ihn sah: du bist des stranges werth.

Hilff himmel? was ist das? Hast du den witz verlohren?

Ist diß die stete treu / die du mir zugeschworen?

Hast du der Chloris zorn so wenig denn gescheut /

Daß du auch freventlich ihr heiligthum entweyht?

Daß du! welch eine that! – – sie konte nicht mehr sprechen /

Und wolte sich an ihm mit ihren thränen rächen.

Sie sprang mit ungestüm von ihrem Lager auff /

Und eylt aus seinem arm / durch einen strengen lauff.

Alleine Celadon fiel gleich zu ihren füssen /

Und wuste selbige so fest an sich zu schliessen /

Daß sie / was sie auch that / bey ihm darnieder sanck /

Und er sie zum gehör nach vielen klagen zwang.

Er lag / sie haltende / vor den erzürnten knien /

Und sprach: Mein fehler wird zu groß von dir beschrien.

Ich bitte durch den brand der meine seele plagt /

[222] Durch jene Demmerung die um dein auge tagt /

Durch deine tulpen-schooß / durch deine nelcken-brüste /

Durch die von beyden mir noch unbekandten lüste /

Durch deine schöne hand die mich jetzt von sich stößt?

Was hab ich denn verwürckt / das zephyr dich entblößt?

Daß ich es mit beschaut / was dessen hauch verübet /

Daß ich es angerührt / was erd und himmel liebet /

Was selbst der Götter mund begierig hat geküst /

Und was der inbegriff von deiner schönheit ist.

Es ist ja deine schooß der auszug aller zierde /

Der enge sammel-platz der schmeichelnden begierde /

Das rund / wo die Natur zusammen hat gedrängt /

Was sich nur reitzendes den gliedern eingemengt.

Hier ist der kleine schatz / der deinen reichtum zeiget /

Der lebendige thron / der alle scepter beuget /

Der süsse zauber-kreyß / der unsern geist bestrickt /

Und deß beschwehrungs-wort die felsen auch entzückt.

Ach! Chloris / woltest du / daß ich gewichen wäre!

Bedencke doch die schmach und deiner schönheit ehre.

Ich hätte ja die macht der liebligkeit verhöhnt /

Wenn ich nicht deine schooß mit meiner hand gekröhnt.

Kann Phrynens1 blosse brust des richters zunge lähmen /

Wie soll nicht deine schooß uns unser hertze nehmen?

Wird man durch einen blick der Gorgonen2 zum stein /

Wer kan unauffgelöst bey deiner allmacht seyn?

Wer ein gefühle hat und hier doch nicht empfindet /

Wen der gedancke nur nicht alsobald entzündet /

[223] Wer diesem schooß-altar zu opffern nicht begehrt /

Der ist viel billiger des engen stranges werth /

O möchtest du einmahl / was wir die liebe nennen /

Mehr nach den würckungen / als nach dem namen / kennen!

Du würdest / für den zorn / mir willig zugestehn /

Man könne sonder raub hier nicht zurücke gehn.

Die Chloris hatte noch bey allen diesen klagen

Noch nicht / vor scham und grimm / die augen aufgeschlagen;

Doch sah sie endlich ihn von einer seiten an /

Wodurch er neuen muth zu ihrer huld gewann.

Er suchte sie darauff mit rechten weißheits-gründen /

Und selbst aus der natur zum beyfall zu verbinden:

Daß alles was nur lebt / was nur die liebe zwingt /

Nothwendig zu der schooß / als seiner ruhstatt / dringt.

Es hat selbst die natur / sprach er / dafür gestritten /

Nachdem sie es gesetzt recht in des leibes mitten;

Wo dieser mittelpunct der kleinen wunder-welt

Auch den geheimen zug des punctes in sich hält.

Gleichwie ein iedes ding zu seinem circkel eilet /

Der stein nicht in der lufft zu lange sich verweilet /

Das feuer rüstig fleucht / erlassen / in die höh' /

Und ieder fluß verläufft in seine mittel-see:

So wird vielmehr zur schooß / dem mittel-punct im lieben /

Was geist und othem hat / durchdringend angetrieben.

So grimmig ist kein bär / hier hält er keinen stich /

Ihn reist der kleine punct / so wild er ist / zu sich.

Das schuppen-vieh im meer / was hilfft sein schnelles schwimmen?

Es muß durch diesen zug doch aneinander klimmen;

Der vogel in der lufft ist schichtern / schlau und leicht /

Doch siehst du wie ihn stets das weibgen nach sich zeucht.

Vor allen aber hat der mensch den trieb empfangen /

Und unsere vernunfft vermehret das verlangen;

Die auch viel eyfriger nach dieser heymat strebt /

Und sich nicht eh vergnügt / als biß man daran klebt.

Wie der magnet mit macht das eisen an sich ziehet /

Wie nach dem norden-pol die nadel schlägt und siehet /

So ist der liebsten schooß der nord und der magnet /

Wohin der gantze wunsch wahrhaffter menschen geht.

[224] Man sagt: die Venus sey / ihr wesen zu verstellen /

Nicht nach gemeiner art / besondern aus den wellen

In einer muschel helm empfangen und gezeugt /

Wo sie des meeres schaum gewieget und gesäugt.

Wer glaubet solches nicht / der Venus thun erweget?

Weil aber eine schooß der muschel bildniß träget /

Glaub ich / daß Venus gar / was sie ans licht gebracht /

Hernach zu einer schooß der gantzen welt gemacht.

Daß / als die herrscherin ihr muschel-schiff verlassen /

Sie / aller menschen hertz in diesen schrein zu fassen /

Die muschel in die schooß der weiber eingeschrenkt /

Und sich nachgehends selbst / zur wohnung / nachgesenckt.

Wenn diesem also ist / wie wir es glauben müssen /

Kein wunder daß uns denn die schooß zu sich gerissen /

Wo alle reitzungen / wo Venus und ihr kind /

Die liebe / ja wir selbst / mit ihr gebohren sind.

Kein wunder daß man wünscht in dieser muschel-wiegen /

Weil sie darinnen wohnt / der Venus beyzuliegen /

Daß man die liebe sucht / wo ihre lager-statt /

Da / wo dies kleine schild ihr hauß bezeichnet hat.

Die liebe will auch sonst sich nirgends lassen dienen /

In dieser hölen ist sie eintzig uns erschienen /

Diß ist der Götter-hayn / wo sie sich offenbahrt /

Und unser hertz zugleich erforschet / prüfft und paart.

Weil die natur das hertz in uns verdecken wollen /

Wie hätten wir es doch iemahls erkennen sollen /

Wofern die liebe nicht die schooß darzu ersehn /

Das unsichtbare hertz durch wercke zu verstehn?

So aber können wir es höchsterwünscht ergründen /

Was nicht das auge sieht / läßt uns die schooß empfinden;

Anstatt sich nur zu sehn / so spührt man das gemüth /

Und siehet durch die that was nicht das auge sieht.

Wenn denn ein treues paar in süsser glut entglommen /

Und deren seelen nun zusammen wollen kommen /

Bescheiden sie sich nur an den bestimmten ort /

Und dieses schifflein setzt sie über an den port.

Da sprechen sie sich denn / da lernen sie sich fühlen /

Da wissen sie im fleisch zu brennen und zu spielen /

[225] Biß der versteckte leim aus allen adern schäumt /

Und den vermischten geist gar aneinander leimt.

Ach Chloris / die du rühmst / du habest mich erwehlet /

Woraus erkenn ich es / wenn du mir das verheelet /

Was die natur uns selbst zur ruhestatt gesetzt /

Und wornach man allein der liebe warheit schätzt?

Ein freund ist nicht ein freund / der uns was kan verhalten /

So lang er uns / mit sich / nicht läst nach willen schalten;

So lange hat gewiß die liebe nichts gethan /

[Als sie nicht alles gibt / was sie nur geben kan.]

Du aber hast mir gar den besten theil entzogen /

Dein leib weiß nichts davon daß mir dein hertz gewogen /

Das hertze sieht man nicht / der leib muß zeuge seyn /

Wem glaub ich? du sprichst ja / und deine schooß spricht nein.

Was hab ich im voraus vor andern die dich kennen?

Liebstu mich nicht genug / mir diß von dir zu gönnen?

Ich bin im eigenthum ein unbekandter gast /

Und für wen sparestu das liebste das du hast?

Du wirst doch diesen schatz nicht für dich selbst vergraben;

Wie / oder soll es gar ein ander als ich haben?

Nein / Chloris / höret mir dein hertze / wie man spricht /

So wehre mir denn auch des hertzens eingang nicht.

Er fuhr voll eyffers auff / um dieses unrechts willen.

Doch Chloris wuste bald ihn wieder zu bestillen;

Sie zog / nunmehr erweicht / nach dem bezeugten haß /

Den ausgesöhnten feind mitleidig in das graß.

Man meint: daß weil er sich bescheiden überwunden /

Der Chloris schooß gesehn / und einmahl bloß gefunden /

Die Götter ihn hieher auch wunderbar gebracht /

Sie endlich seiner treu beständigkeit bedacht;

Sie endlich ihn getröst nach seynem langen leiden /

So daß auch dessen glück die gegend wollen neiden;

Sie aber nach der zeit / wenn ihnen was gefehlt /

Dies süsse sorgen-grab zur linderung gewählt.


Fußnoten

1 Diese Phryne stund zu Athen vor gerichte und solte verurtheilet werden. Aber als ihr listiger advocat ihr den schleyer abgerissen / und ihre blosse brust den richtern sehen lassen / wurden sie von ihrer schönheit so eingenommen / daß sie das urtheil änderten / und die beklagte loß sprachen.


2 Diß waren drey schwestern von so entzückender schönheit /daß sie keiner ohne erstaunen ansehen können / und die Poeten daher getichtet / als wenn man gar über deren anschauen zu stein geworden.


Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961.
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