Frühsommerphilosophie

[335] (Herrn R.A. Schröder zugeeignet.)


Die roten Tulpenflammen sind verglüht;

Maiglocken wachen auf; der Flieder blüht;

Die Eiche, die so lange sich besann,

Steht nun in Laub; es steckt die Kerzen an,

Die grünen Kerzen, übertrieft von Saft,

Der alten Fichten innerliche Kraft.

Um jede Blüte ist ein Surretanz

Von Schwebewesen, ein lebendger Kranz

Von Schillerflügeln gelb, grün, blau von Glanz,

Und an den Stengeln kriecht im Drängelauf

Das Käfervolk bunt, tausendfüßig auf.


Die liebe Wett! Ob sie auch lange ruht,

Sie machts zuletzt doch immer wieder gut.

Mag sie nicht schelten.

Eh eine andre uns nicht voller mißt,

Glaub ichs einstweil, daß sie die beste ist

Von allen Welten.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 335-336.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)