Liebe und Tod

[205] Zwischen Rosenranken steht der kleine Gott,

Nackt im Fleische seiner süßen Lust

Vor dem Haus, dem er sein Glück beschert.


Kommt die Todesgöttin, grünlich weiß

Ueberschleiert, lakeneingehüllt,

Hebt den Arm zum Thor und will hinein.
[205]

»Ach, in meine Rosen schreite nicht!«

Wehrt der Gott, »ich rankte sie ums Haus,

Denn es heimt jungheiße Liebe drin.«


Doch die Göttin mit gesenktem Haupt

Hebt den starken Arm ... Die Thüre kreischt,

Und die Rosen, eben aufgeblüht,

Fallen ab vom Stamm.

Die Stille klagt.

In die nackten Rosenranken weint der Gott.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 205-206.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)