|
[309] (Herrn Gustave Kahn zugeeignet.)
Wie eine Schnecke,
Träge, langsam,
Schleicht das
»Glück« ...
Mit wartendem, klopfendem Herzen steht
Der Mensch und breitet in Qual und Angst
Die Arme aus und schreit zum Himmel:
»Oh komm, komm endlich,
Löse mich, löse mich
Aus Fesseln und Banden –
Ein Glückeslächeln,[309]
Ein einziges nur,
Es würde mein Herz
Erwärmen mit lachendem Leuchten,
Wie Maiensonne nach Winters Frost die starre Erde!« ...
Er wartet und fleht
Lange, lange,
Und müht sich ab im Geschirr des Lebens,
Und keucht und keucht,
Gebunden, gepeitscht,
Möchte vorwärts: hinauf!
Hinauf! wo es strahlt
Und lächelt das Schöne,
Ruhige, Klare,
Immer Ersehnte ...
Aber das Glück,
Kein stürmischer Engel,
Ach, kein gütig gewährendes Weib,
Aber das Glück,
Die purpurne Schnecke,
Rückt nur mühsam,
In langen Fristen,
Wenige Schritte
Vor ... und
Ihre träge gedrehten Fühler
Tasten kalt an eine starre,
Augenleere Leiche im Grabe.
[310]
Verfluchte Schnecke, o faules Glück!
Indes du deinen schleimigen Weg
Lautlos vorwärts schlichest: da stob,
Brauste, wütete, raste mit Heulen,
Gewaltig schnelle mit Sturmes Mächten
Von allen Seiten die Schaar der Furien
Los auf den Armen.
Die dürren Weiber!
Hexengestöber, grimmig jauchzendes ...
Mit ihren Geißeln schlugen sie ihn,
Mit ihren Schlangen schreckten sie ihn,
Mit ihren modrigen Blicken trieben sie ihn
Durch bange Verzweiflung und Wahnsinnsnacht
In den Tod.
Ein gehetztes, verendetes Wild –
Im Grab
Stumm liegt er nun:
Im Nichts.
Im friedvollen, unbelebten Nichts
Ward ihm das Glück ...
Die dunkelrote Pupurschnecke kriecht
Ueber seiu Grab,
Lautlos ...
Ausgewählte Ausgaben von
Irrgarten der Liebe
|
Buchempfehlung
Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.
188 Seiten, 6.40 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro