Trennung

[159] (M.M.)


Es liegt in mir wie eine Wolke

Der düstre Abend, der uns schied.

Es stand kein Stern am grauen Himmel

Und von den Zweigen klang kein Lied.


Verdrossene Menschen gingen eilig

Im feuchten Dunkel uns vorbei.

Auf nasser Bank verschlungen saßen

Wortlos und herzensbang wir zwei.


Es sah der Mond durch dürre Aeste.

Auf deinem Antlitz lag sein Schein

So düster-tot, – mein heimgegangnes

Glück hüllte er in Strahlen ein.
[159]

Und wenn dein Blick, dein seelenvoller,

Sich zu mir hob, in Schmerzen mild,

Aus bleichem Mondenstrahlenglanze,

Da sah ich meines Schicksals Bild:


Das Schöne, das ich still erdichtet

Und rein im Herzen aufgestellt,

Wie es vor meinem heißen Wünschen

Fliehend in Schmerz zusammenfällt.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 159-160.
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Irrgarten der Liebe
Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)