Erste Blüten, erster Mai

[61] Lange schlug das Herz mir dumpf

Und in faulen Schlägen,

War ein tangbedeckter Sumpf

Ohne Wellenregen.
[61]

Bunte Blumen blühten rings,

Und ich ging vorüber;

Wissenschaft, die graue Sphinx,

Gab mir Nasenstüber.


Wissenschaft, die graue Sphinx,

Mag der Teufel holen;

Euch, ihr Blüheblumen rings,

Sei mein Herz befohlen.


Sonnevoll ist mein Gemüt,

Eine grüne Wiese,

Drauf es singt und springt und blüht,

Wie im Paradiese.


Eine Geige klingt in mir,

Glockenklar und leise ...

»Oh du allerschönste Zier! ...«

Wundersame Weise.


Glück und Glanz und Glorienschein

Ueber allem Leben,

Und die ganze Welt ist mein,

Mir zu Lehn gegeben.


Und mein Herz haucht Liebe aus,

Alle Not verendet,

Sorge, Sünde, Haß und Graus

Sind in Glück gewendet.
[62]

Dumme, holde Träumerei,

Immer kehrst du wieder:

Erste Blüten, erster Mai,

Schwärmerische Lieder.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 61-63.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)