112. Der Schatz im Steinbühl.

[80] Mündlich von Leutkirch.


Im Steinbühl zwischen Luttolsberg und Frauenzell, bei Leutkirch an der bairischen Grenze, ist ein Schatz verborgen: eine große Kiste Geld. Alle sieben Jahre »sönnelt« (sonnt) er sich oben auf dem Hügel und versinkt wieder. Einsmals, vor vielen Jahren, gingen Bauern von Luttolsberg und Frauenzell auf den Steinbühl, um den Schatz zu heben. Es schlug auf einem entfernten Kirchthurm zwölfe. Sie gruben über Hals und Kopf und kamen auf eine schwere, schwere Kiste. Aber auf der saß eine kohlrabenschwarze Katz, mit feurigen Augen, wie Pflugrädlein. Die Kiste wurde heraufgewogen, aber da, wo sie am weitesten heroben, sprang die häßliche Katze hin und sie sank wieder. Kein sterbigs Wörtlein durfte einem über die Lippen kommen. Auf einmal erschien am Wald drüben ein steinaltes Weiblein und umkreiste den Hügel; immer lauter und lauter rief sie: »Laßt das Graben, thut's bei Tag!« Unwillig darüber, kam einem von den Luttolsberger Bauern das Fluchen, und er fing den rechten Weg an. Im selben Augenblick stürzte Katze und Kiste wieder in den Abgrund des Steinbühl. Hätten sie reinen Mund gehalten, so hätten sie gewiß den Schatz bekommen65.

65

Sagen von Schätzen bei Schambach und Müller Nr. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. Wolf, Zeitschrift I. 301-304, und IV. 283-295. Die Schätze versinken, sobald man redet, ja unter der Dachtraufe sind sie noch nicht gesichert. Stöber S. 94. B. Baader, 2. Sammlung Nr. 74.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 80-81.
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