155. Das Mohrentobler Rößlein.

[108] Mündlich.


Auf dem Mohrentobel, dem waldigen Bergrücken oberhalb Wurmlingen, geht seit alten Zeiten ein schneeweiß Rößlein mit Schabracke. Jezt hat man's schon lang nicht mehr gesehen. Wenn die Buben früher im Walde hüteten: auf einmal weidete das Rößlein bei ihren Rossen und keiner wußte, von wannen es gekommen; es sprang allemal wieder tief in den Wald hinein. Mal wollten's Einige fangen, sprangen ihm nach, sagten aber, sie thäten's nie mehr.

An Allerheiligen nach der Kirche ging mal ein Häuflein Mädchen den Mohrentobel hinauf, um Schlehen und Hagenbutzen zu sammeln: da kam auf einmal das Mohrentobelrößlein daher gesprungen, schneeweiß, den Kopf verbunden mit feuerrotem Tüchlein. Wie die Mädchen sprangen, läßt sich denken; das Rößlein ging aber wieder in den Wald hinein. Eine Sage will, daß es umgehe, seitdem ein berüchtigter Wirt der Umgegend vom Bösen geholt, auf den Mohrentobel geschleppt, von Fischern in viele Stücke zerrissen gefunden worden sei83.

83

Stöber S. 230. »Das weiße Rößlein im Kronthal.«

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 108-109.
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