25. Der Reiter ohne Kopf und Gräfin Adelinde.

[22] Mündlich von Joseph Rau aus Kappel.


Südlich von Buchau, da wo's in's Wiesenthal hinausgeht, auf dem schönen Berge, liegt der Ueberrest eines uralten Kirchleins. Die vier Wände stehen noch davon. Die Sage erzählt, es habe mal vor uralten Zeiten eine Gräfin »Adelinde« in der Umgegend gewohnt, von der die Kapelle gestiftet worden sei. Es seien mal die Hunnen bis in diese Gegend gekommen, wo es eine furchtbare Schlacht absezte. Auch der Gemahl Adelindens, der Graf, sei in Kampf gezogen und umgekommen. Bevor er Abschied nahm, gab er seiner Herrin noch das Versprechen, da und da werde er ihr erscheinen, entweder lebend zurückkehren, oder gefallen als Geist. Als er zu lange nicht wiederkehrte, zog die Gräfin mit ihrem Gefolge ihm entgegen, und siehe! auf dem blutigen Feld nach der Schlacht begegnete ihr ein Reiter hoch zu Rosse, sein Haupt auf einem weißen Teller tragend. In selbigem Augenblick rief die Gräfin aus:


Windle Windle wehe,

Bis daß ich meinen Herrn wieder sehe!
[22]

Auf der Stelle verschwand er, als die Gräfin die Worte sagte:


Windle Windle wehe,

Bis daß ich meinen Herrn nicht mehr sehe!


Da, wo dieses sich zugetragen, ließ Adelinde ein Kirchlein bauen, und das ganze Thal hieß von wegen ihren vielen vergossenen Thränen »Sankenthal«, d.h. Thränenthal. So oft man aber zwischen die noch stehenden Mauern tritt, so geht immer ein leises zartes »Windle«, auch wenn sonst kein Wind geht. Die Gräfin ging in's Kloster nach Buchau, das sie gründete, und soll Aebtissin geworden sein14.

14

Die kopflosen Schimmelreiter, wilden Jäger und andere Geister sind gekennzeichnet als verstorbene, seelenlose. Vgl. Th. Vernaleken, Mythen und Bräuche, S. 47. Nr. 23 ff.

In der Buchauer Stadtpfarrkirche ist oben am Plafond eine Inschrift: Beata Adelindis fundavit circa Ann. DCCLXX. Riedlinger Oberamts-Beschrbg. S. 137. 138. Hatto, Enkel des als Knabe nach Deutschland gebrachten Bonosius von Tarent, soll mit seiner jungen Gattin bei Warthausen, wo sie einen Kessel voll Gold und Silber erhoben, die Kesselburg erbaut haben. Die Gemahlin soll »Adelinde«, Tochter des schwäb. Herzogs Hildebrand, gewesen sein. Mit ihr soll Hatto drei Söhne gezeugt haben. Vater und Söhne sollen im Kampf gegen die Hunnen gefallen sein und die trauernde Adelinde deren Gebeine in der Kirche zu Buchau begraben, daselbst ein Kloster gestiftet und in diesem bis zu ihrem Tode a. 809 das Amt einer Aebtissin verwaltet haben. Die Gefallenen sind auf einem Plafondgemälde in der Kirche zu Buchau zu sehen. – In der Oberamts-Beschrbg. S. 203 lese ich weiter: »S von Kappel auf einer Anhöhe steht einsam und verwittert eine Kapelle, welche 1560 von der Aebtissin zu Buchau neu hergestellt worden ist. Sie beherrscht das Wiesthal, welches von dem Tode Atto's und seiner Söhne das ›Plankenthal‹, vallis planctus (Thränenthal), genannt wird.« In der Episkopalkarte von Konstanz kommt die Kapelle vor unter dem Namen planctus Allemannorum = die Klage der Deutschen, wo sie a. 903 gegen die Avaren eine Schlacht verloren. Der Wahlplatz wird soeben zu einem Hopfengarten aus einem Wald umgewandelt. Vgl. über die »Adelinde-Sage« Ströbele in den wirtemb. Jahrb. 1824. S. 391 ff. Adelinde ist in Lebensgröße auf einem Oelgemälde im Rathausgange in Buchau.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 22-23.
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