35. Der Reiter am Tübinger Thor.

[29] Mündlich.


Die Straße vom Waldhörnle bis an's alte Tübinger Thor (Neckarthor) soll früher von Zeit zu Zeit ein fremder Reiter, den Kopf unter dem Arm, geritten sein nächtlicherweile. Verlangte er Einlaß und machte man ihm auf, so sprengte er im Hurra wieder davon. Auch soll er schon zum Schmidthor her geritten sein. Mal ritt er einem Mann und dessen Sohn zur Seite bis hart an die Stadt. Der Vater entkam glücklich durch's Thörlein; den Buben nahm der Reiter aber mit, schleppte ihn auf den Oesterberg17 und stürzte ihn auf derselben Seite dem Neckar zu die Staffeln einer Weinbergfurche herunter, ohne daß der Bub Schaden nahm; er kam mit dem Schrecken davon. – Vor dem Neckarthor[29] hörte man den nächtlichen Reiter oft »Hallo« rufen. Auf dem »Wörthle« sei er gerne geritten.

17

Ob nicht einige der Namen »Oesterberg« bei Tübingen (aişterberg) und »Oesterberg« bei Riedlingen, »Osterthal«, Oesch in der Mülheimer Markung (auch Austerthal geschrieben, Mülh. Pfarrurbar v. 1610 u. 1630, S. 27 u. 184), »Ostrach«, das Städtchen, Osterbuch, Hof (Aalen), Osterhof, Weiler (Schorndorf), Osterhofen (Neresheim), Osterhofen (Waldsee), Osterholz (Ludwigsburg), Osterholz (Neresheim), Osterhöfle (Gaildorf), Osterösch (Wangen), Osterstetten (Ulm), Osterwaldreute (Wangen), Osterbuch (Deggingen, Filsthal), Anklänge an ein altes Wort »Ostara« sind?

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 29-30.
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