50a. Die guten Erdleute in der Mühle.

[39] Mündlich von Tübingen.


Bei Murrhardt ist eine Mühle, in der lange Zeit Erdluitle waren. Diese arbeiteten dem Müller Alles, und Niemand durfte Hand anlegen, aber nur bei Nacht, wenn es ruhig war. Der Müller wußte es wohl und stellte die gefüllten Fruchtsäcke Abends nur in die Mühle hinein. Morgens war Alles gemahlen. Um Mitternacht ging's dann an ein Rennen und geschäftiges Hin- und Herlaufen. Eine unzählbare Menge von kleinen Männlein tummelten herum; der eine holte den Sack, einer leerte ihn aus, wieder einer hatte eine Wanne auf dem Kopf, andere fegten, stäubten, schütteten auf, kehrten zusammen, readeten, alles ging so[39] flink, daß Morgens nichts mehr zu thun war. Dabei war es ganz ruhig. Der Müller war auch mal wieder neugierig und wollte sie bei ihrem Geschäfte sehen. Da bemerkte er, wie Alle so lumpig angezogen und Alles an ihnen zerrissen war. Mitleidig ließ ihnen der Müller eine große Zahl kleiner Mäntelchen und Röcklein machen und legte sie in die Mühle. Allein die Kleider lagen des Morgens noch unberührt da, und von dort an kamen die Erdluitle nimmer mehr. Sie hatten gemerkt, daß sie beobachtet werden, und das wollten sie nicht, sondern mögen ihr Geschäft unbeschrieen verrichten25.

25

Grimm, Myth. I. 2. 453. W.M. Ztschr. IV. 171. Zingerle, Sagen, Märchen aus Tirol S. 40. 41. 42.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 39-40.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagen, Märchen, Volksaberglauben
Sagen, Märchen, Volksaberglauben