52. Der Zwerg im Graneckle.

[41] Mündlich von Hofele.


An einem Herbstabend war noch ein Weib spät auf dem Graneckle, einem sagenreichen Berge bei Wißgoldingen, sammelte Kräuter und Attichbeer. Wie sie der Heimat zu will, schaut sie noch mal hinauf und sieht oben auf dem Graneckle einen Buben herumspazieren, von gar seltsamem Aussehen und ganz sonderbarer Kleidung. Sie dachte bei sich, was[41] doch der Knabe noch so spät da oben zu schaffen habe und meinte, er hätte sich verirrt. Sie ging vollends hinauf. Da sah sie, daß er ein graues Mäntelchen anhatte und eine mit Roßhaaren besezte Soldatenmütze auf dem Kopf. Er hatte blecherne Stiefel und auf der Brust einen dreieckigen Stern. Sein Angesicht konnte das Weib nicht recht sehen, scheute sich auch, ihn recht anzuschauen. Endlich faßte sie Mut, ihn zu fragen, woher er komme. Statt der Antwort deutete der Knabe mit dem Finger auf eine Oeffnung des Berges. Aus Angst eilte das Weib herunter, sah aber den Zwerg auf einmal wieder vor sich; er reichte ihr etwas hin, das sie nicht kannte: es war ein Ding wie eine Kaffeschale. Endlich läuft sie wieder davon und am Fuße des Graneckle guckt sie noch mal hinauf: da kommt's ihr vor wie ein »Himmels- oder Johannisfeuer«, das oben auf dem Berge brannte, nach wenigen Augenblicken aber wie weggeblasen war. Seither sah man den Zwerg nie mehr28.

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W.M. Ztschr. IV. 170.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 41-42.
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