65. Einfüßle im Nonnenhaus.

[51] Mündlich von Tübingen.


In einem, dem sogenannten Nonnenhaus zu Tübingen gehörenden, Nebengebäude weiß man seit alten Zeiten her viel vom, »Einfüßle« zu erzählen. Es ist ein kleines, winziges, kohlrabenschwarzes Männlein mit nur einem Fuß und einem der Kapuze ähnlichen Käppchen. In der Scheuer, besonders zur Adventszeit, ließ es sich oft sehen und hören, ergözte sich oft Tage und Nächte lang mit Fruchtmessen, Geldzählen, und hatte seine besondere Freude daran, die Leute recht zu necken und zu erschrecken. So warf Einfüßchen oft, wenn die Leute in der Scheuer arbeiteten, vom obersten Kräch herunter das Heuseil, trippelte die Stiegen auf und ab, besonders gegen Abend. Mal riefen Kinder unter dem Scheuerthor zum Spaß: »Einfüßle, Einfüßle, komm!« Auf einmal trippelte Einfüßchen heran, so schnell als wie Einer mit zwei Füßen. Die Kinder sprangen erschrocken[51] davon, nur ein Bube fiel, und das freute Einfüßchen so, daß es laut auflachte und wieder in die Scheuer zurückkehrte38.

38

W.M. Ztschr. IV. 168. Ueber die spitze Mütze der Hausgeister Wolf, Beitr. II. 333. Das Lachen der Kobolde: Grimm, Myth. I. 469. 479.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 51-52.
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