87. Das Schleierweiblein.

[64] Mündlich von Hirschau.


Im Eichenhau ob Hirschau (Tübingen) soll ehedem oft, jezt seltener, ein kohlschwarzes Waldweiblein mit Schleier gesehen worden sein. »Schleierweible« begegnete Hirschauern und Wurmlingern; wenn man nicht vorher von ihm wußte, konnte leicht einer meinen, es sei ganz geheuer. Bösartig war es nicht, warf jedoch oft Holzleute von ferne mit Tannzapfen, Steinlein und Spähnen. Schaute man um, so war nichts zu sehen. Deß freute sich das Schleierweiblein. Auch sah man weder Tannzapfen, noch Steine, noch Spähne. Es redete nie ein Wort, so oft es zu den Leuten kommen mochte. Man sagt, es sei eine geizige Haushälterin vom ehemaligen Kloster Ammerhof gewesen, die den Armen, statt zu essen, Schelt- und Fluchworte gab. Dafür müsse sie umgehen52.

52

Variante bei Meier S. 306. Schambach u. Müller Nr. 127. J.V. Zingerle S. 30 ff.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 64-65.
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