247. Der böse Ritter Baldegger.

[159] Mündlich.


In der Pfarrkirche von Magolsheim bei Münsingen sind zwei große Steinfiguren hüben und drüben in der Wand angebracht. Auf der lutherischen Seite (der Ort ist paritätisch) ist der berüchtigte Baldegger, und auf der katholischen seine Tochter, das Edelfräulein. Von Beiden weiß der Volksmund gar Vieles zu erzählen. Der Baldegger sei ein grausamer, unbarmherziger Bösewicht gewesen, eine wahre Strafe für die ganze Umgegend. Wenn es ihm gefiel, band er Leute an den Schweif seines Pferdes und weidete sich an dem Geschrei der Unglücklichen. Und so that er noch vieles[159] Andere. Zu Luthers Zeiten war er einer der ersten, der übertrat in der Gegend. Seine Tochter aber, in wunderschönes Edelfräulein, konnte er nicht zu dem Schritte bewegen, deswegen konnte er sie nicht mehr ausstehen. Sie war ein Engel in menschlicher Gestalt, so mitleidig und wohlthätig gegen Arme und Kranke, daß noch jezt jedes Kind von ihr zu erzählen weiß. Täglich kam sie von der Baldegger Burg herunter in die Hütten der Armen, brachte zu essen, puzte, wusch und kleidete arme verlassene Kinder und sorgte für ihre Zukunft. Als nun der böse Baldegger dieses von seiner Tochter erfuhr, mißhandelte er sie arg, und sie durfte nicht mehr hinunter. Da warf sie jeden Tag im Geheimen Brod in den Burggraben hinten hinunter für die Armen, die dort es zur bestimmten Zeit holten. Aber auch dieses merkte der Wütherich, kam einmal dazu und sprang wie rasend auf das Edelfräulein zu und wollte es tödten. Aber im nämlichen Augenblicke stürzte sie vom Balkone in den Schloßgraben, und er nach. Beide waren Leichen. Der böse Baldegger muß dafür umgehen, das Edelfräulein lebt aber fort im dankbaren Andenken, so lange es ein Magolsheim gibt.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 159-160.
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