291. Kapuziner entrückt.

[184] Mündlich.


Es war einmal ein Kapuziner, der wollte nicht glauben, daß die Ewigkeit so lang und doch wieder so kurzweilig sei. Da ging er einst in den Wald hinaus spaziren und hörte dort ein Vögelein wundersam singen. Diesem Vögelein ging er nach und kam gewaltig tief in's Holz hinein. Als er lang genug aufgehorcht zu haben glaubte, dachte er, es möchte wohl eine Viertelstunde um sein, und eilte heim. Da war aber das Kloster sammt seinen Herren gar anders geworden, ja die Leute sprachen schon ganz anders, als der Kapuziner. Nach langem Hin- und Widerreden ergab sich's, daß der Pater so und so gerade vor hundert Jahren im Walde verschollen sei, und der gegenwärtige fremde Pater nicht weniger als hundert Jahre dem Paradiesvögelein aufgehorcht habe. Da zweifelte der Pater nicht mehr und starb bald hernach eines seligen Todes157.

157

Vgl. bair. Volksbüchlein I. 56 ff. Vgl. die Legende von den »Sieben Schläfern«. Von den siben Slafaeren. Gedicht des XIII. Jahrhunderts, herausgegeben von Th. G.v. Varajan. Heidelberg bei C.F. Winter MDCCCXXXIX.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 184.
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