302. Der Bauer als Wettermacher.

[191] In Wolfs Zeitschr. I. S. 438 v.E. Meier mitgetheilt. Mündlich von Wurmlingen.


Ein Bauer, der mit dem Wetter niemals zufrieden war, hatte sich vom lieben Gott die Gnade ausgebeten, daß er einmal ein Jahr lang die Witterung nach seinem Gutdünken bestimmen dürfe. Diese Bitte wurde ihm gewährt. Nun bat er, so oft es ihm zum Gedeihen der Früchte nöthig schien, abwechselnd bald um Regen, bald um Sonnenschein und die Saaten schienen sich gut dabei zu befinden. Als er aber sein Getreide geerntet und gedroschen hatte, fand sich's, daß die Körner alle taub waren und keinen Mehlstoff enthielten. Der Bauer beschwerte sich nun beim lieben Gott, daß seine Frucht, obwol es ihr nie an Regen noch an Sonnenschein gefehlt habe, doch so schlecht ausgefallen sei. Der liebe Gott aber sagte: »Du hast nur um Regen und Sonnenschein gebeten,[191] aber niemals um › Wind‹, der doch zum Gedeihen der Frucht ganz notwendig ist.«

Seitdem überließ der Bauer das Wettermachen ohne Murren wieder dem lieben Gott.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 191-192.
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