578. Der Fischersohn, Märchen.

[344] Mündlich von Wendelsheim.


Da war mal ein König und der hielt ein großes Hoffest. Im ganzen Lande hatte er bekannt werden lassen, wer das Beste und Schönste auf seine Tafel brächte, erhalte große Belohnungen. Auch ein armer, armer Mann, seines Handtierens ein Fischer, wollte vom König ein Prämium haben. Ging hinaus an den Fluß und fuhr mit seinem Netze das Ufer auf und ab, fing nicht mal ein elendes Fischlein. Verdrießlich und ganz müde stand er am Wasser und machte sich Gedanken, wo und wie er wol den besten Zug thun werde. Da kam mittlerweile ein klein Männlein zu ihm hergelaufen, hatte ein grünes Röcklein an, einen Fuß verbunden und hinkte. Grün Männlein fragte den armen Fischer, »wo es ihm fehle, daß er so traurig drein sehe und ob ihm noch zu helfen sei?« Fischer klagte sein Geschick, wie er vom Könige was verdienen möchte und gar nichts fange. Da sagte Männlein zu ihm: »Wenn du thun willst, wie ich von dir begehre, sollst du die schönsten Fische fangen, wie noch nie schönere zu des Königs Tisch gekommen sind. Du[344] mußt mir das als Eigenthum versprechen, was du zu Hause verborgen hast,« und forderte seine Unterschrift in ein Büchlein. Hocherfreut ging der Fischer den Vertrag ein. Grün Männlein aber war Niemand anders als der Teufel selbst. »Jezt wirf mal dein Netz aus und du wirst sehen!« Kaum ausgeworfen, zog der Fischer eine solche Menge Fische an's Ufer, daß er vor Freuden nicht mehr wußte, wo er zuerst zugreifen sollte. Unter der Weile verschwand grün Männlein und er sah es mit keinem Auge mehr. In der Menge waren drei wunderschöne große Schuppenfische. Der eine hatte eine goldene Krone, der andere einen goldenen Scepter und der dritte ein prachtvolles goldenes Schloß auf dem Rücken. Fischer ging voller Freuden heim und brachte die Fische vor den König, der ihn reichlich belohnte. Die Fischerin wurde todtblaß über das, was sich zugetragen, und merkte gleich, welches Unheil ihr Mann in's Haus gebracht habe. Sie ging schon fünf Monate eines Kindes schwanger und dies war das Verborgene, welches das Männlein verlangte, das Niemand anders als der Teufel war. Nun galt es, auf irgend eine Weise das Unglück abzuwehren. Als Fischerin eines Knaben genesen war, übergab man ihn sogleich einem geistlichen Vetter der Umgegend, und der mußte ihn hüten. Der Geistliche ließ ihn nicht von seiner Seite, und als grün Männlein seinen Vertrag holen wollte, hatte es keine Gewalt in seiner Nähe. Von da an war es aber alleweil in des Kindes Nähe und außer ihm wurde es von keinem Menschen gesehen. Als der Knabe immer größer wurde, sah er, wie ein kleines grünes Männlein ihn immer an der Hand nehmen und nach ihm langen wollte, wußte aber nicht, was es zu bedeuten habe; der geistliche Vetter wußte es wol. Auch kam grün Männlein, je älter er wurde,[345] immer näher. Da machten mal beide, der geistliche Vetter und der Knabe, eine Reise zu einem Bischofe, um ihn zu fragen, wie das drohende Unheil abzuwenden sei. Der Weg führte sie bei der Heimkehr durch einen großen langen Wald. Bis vor den Wald hatte das Männlein nicht von ihrer Seite gelassen. Als sie aber in den Wald hinein kamen, entfernte es sich mehr und mehr, bis es endlich ganz verschwunden war. Da auf einmal trat zu ihnen ein Jüngling, sie wußten nicht, von wannen er gekommen, kannten ihn auch nicht. Dem Fischerknaben winkte er beharrlich, mit ihm zu gehen, indem er in's Gebirge, das sich seitwärts erhob, hineindeutete. Endlich, als auch der nicht mehr weichen wollte, kamen sie vertragsmäßig mit ihm überein, die Erstlingsfrucht eines Werkes von des Knaben eigener Hand gehöre dem Fremden, der aber wieder Niemand anders war, als grün Männlein in anderer Gestalt. Habe er diese, so müsse er sich begnügen und fortan weichen. Der Fischerknabe fand ein wildes Apfelreis, nahm es mit sich aus demselben Walde. Er sezte es in einer Einöde auf einen Berg, pflanzte um dasselbe rings fünf Kreuze, die geweiht waren, damit der Fremde keinen Zugang hätte. Das Reis gedieh und wurde ein stattlicher Baum, der bald Früchte trug. Der erste Apfel fiel über die fünf Kreuze hinaus, der fremde Jüngling fing ihn draußen auf und von derselben Stunde an war der Fischersohn erlöst.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 344-346.
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