1.

[360] Petrus und Christus gingen mal über Feld und wollten nach Kapernaum; als sie schon viel Wegs gemacht hatten, verirrten sie auf einmal und wußten weder Steg noch Weg. Da sahen sie in den Feldern drinnen Jemand unter einem schattigen Baume liegen und den wollten sie[360] fragen. Christus schickte Petrus hinein, der kam zu einem und fragte ihn: Wohin, Lieber, geht der Weg Kapernaum zu? Der unter dem Baume, ein langer fauler Mensch, lag da und gab dem Petrus aus Faulheit nicht mal eine Antwort, sondern streckte blos einen seiner Füße in die Höhe nach jener Gegend hin und wies so den Weg. Petrus lief fuchsteufelswild weg und raunte Christus zu: er solle doch für diesen dort drinnen Strafen vom Himmel rufen, die ihm zu Gebot stehen. Christus aber besänftigte den Petrus und sie gingen stillschweigend des Wegs weiter. Da sahen sie in der Ferne wieder Jemand, es war ein junges Mädchen, das im Felde grasete. Zu dieser schickte Christus den Petrus wiederum, er solle fragen, wo hinaus des Weges es nach Kapernaum gehe? Petrus machte es so; wie das Mädchen ihn sah und seine Frage hörte, sprang es sogleich auf, warf die Sichel weg und ging voller Freude mit dem Fremden und zeigte ihm genau den Weg. Ergriffen über des Mädchens Gefälligkeit, sagte er zu Christus, er solle es belohnen, wie sie es verdient. Da sagte Christus: Jezt soll mir das fleißige gefällige Mädchen jenen langen faulen Kerl unter dem Baume dort heuraten. Das soll ihr Lohn sein. Denn was jener zu wenig, hat dieses zu viel, und darum passen sie zusammen.

Mündlich von Wurmlingen.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 360-361.
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