589. Die goldene Gans.

[364] Riedlingen.


Ein König hatte eine Tochter, welche niemals lachte. Da ließ er bekannt machen, wer seine Tochter zum Lachen brächte, sollte sie zur Gemahlin bekommen. Ein guter dummer Kerl bekam von einem Waldweiblein eine goldene Gans geschenkt, als er ihr gutmüthig von seinem Brod gegeben hatte, da er selbst sehr hungrig im Walde aß. Dieser befand sich zufällig in der Königsstadt und war mit seiner Gans in einem Wirtshaus über Nacht, das nahe beim Schloß stand. Er[364] hängte seine Gans in einem Schnupftuch an's Ofenstängle und sagte, es solle ihm Niemand die Gans berühren, da man sonst hängen bleiben müßte. Die Magd, der Knecht, Wirt und Wirtin dachten bei sich, das glauben sie nicht und wollen sich bei Nacht doch ein Federchen ausrupfen. Die Nacht kam und in der Dunkelheit schlich sich die Magd »hemmetpflenzig« (im Hemd), wie sie war, in die Stube, um eine Feder zu holen. Aber sie blieb hängen. Da kam bald hernach der Knecht und blieb auch an der Gans hängen. Als der Wirt den Lärm hörte, dachte er an etwas Anderes und wollte die zwei verjagen, aber er blieb an Magd und Knecht hängen. Zulezt kam die Wirtin und blieb richtig am Wirt hängen. Des Morgens kümmerte sich aber der Einfältige wenig darum, sondern nahm die Gans unter den Arm und ging seiner Wege. Das Wirtpersonal mußte im Nachtaufzug mit, ob es wollte oder nicht. Da kam der Einfältige am Schloß vorbei. Die Königstochter sah eben zum Fenster heraus und mußte beim Anblick dieses Zuges hell auflachen. Da ward der Einfältige Schwiegersohn des Königs durch eine Gans298.

298

Simrocks Edda S. 292.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 364-365.
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