613. Heilige Hostie unversehrt.

[384] Mündlich von Leutkirch.


Waren mal zwei Müller gesessen zwischen Memmingen und Ottobeuren bei Benningen, und die waren gar spännig miteinander. Der Eine war voll Neids über den Andern vom kleinen Zehen bis auf den Scheitel. Er beschloß, seinen Nachbar um jeden Preis zu vertilgen, und that Folgendes, wie die Sage geht. Es ist ein Glaube von gewissen Leuten, mit der hl. Hostie vom grünen Donnerstag könne man besondern[384] Zauber treiben. Der böse Müller ging zur hl. Communion am grünen Donnerstag, nahm die hl. Hostie wieder aus dem Munde, schob sie in sein Sacktuch und trug sie heim. Des Abends selbigen Tags begab er sich von Hause fort, hinterließ, er wolle diese Nacht wachen, wie Christus, der Herr und Meister, am Oelberg gewacht habe. Festen Schrittes ging's der andern Mühle zu und warf den hl. Leib in die Räder. Kaum war die Unthat vollbracht, da rief es deutlich aus den Mühlrädern dreimal:


»Mal it, mal it das höchste Gut!«


Das Mühlwerk stand wie mit einem Schlag still. Man untersuchte die Sache, fand die hl. Hostie unversehrt. Im selbigen Augenblicke stürzte dem ruchlosen Frevler seine Mühle mit Höllengekrach zusammen, versank mit Mann und Maus. So erzählt das Volk. Die hl. Hostie ist abgeholt worden mit Kreuz und Fahnen von der ganzen Geistlichkeit nach Memmingen, wo sie viele hundert Jahre aufbewahrt worden sein soll. An der Stelle des Wunders erhob sich bald eine Kapelle.

In Ottobeuren in der Klosterkirche sollen Plafondgemälde diese Geschichte darstellen.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 384-385.
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