614b. Die heilige Hostie in Lauda.

[386] Mündlich aus Franken.


Einmal veranlaßte zu Lauda ein Jude seine katholische Magd ihm eine heilige Hostie von der Kirche mit heimzunehmen. Nach langem Weigern verspricht sie es unter der Bedingung, daß er ihr einen neuen Rock zur Communion machen lasse. Wirklich brachte sie eine hl. Hostie, nachdem sie selbige in der Kirche aus dem Munde genommen und heimlich in ein Sacktuch gewickelt hatte. Der Jude durchstach sie mit dem Messer. Da floß Blut heraus. Voll Angst und von Gewissensbissen getrieben, begrub er sie im Miste. Von da an sah der Nachtwächter jede Nacht auf demselben Platze ein Lichtlein, wußte nicht, was es bedeuten sollte und zeigte die Sache an. Man hielt sogleich Nachforschung und Untersuchung und fand die hl. Hostie wirklich ganz frisch. Auf dieses hin stürzte sich der Jude, um dem Urtheil zu entgehen, in einen Brunnen, den man jezt noch zeigt. Die Magd wurde geviertheilt. Auf derselben Stelle erhob sich alsbald eine schöne Kapelle, wo die wunderbare Hostie aufbewahrt und wohin viel gewallfahrtet wird. Der Stein, der das Plätzchen deckt, wo der Fronleichnam lag, ist noch immer feucht, als ewiges Wahrzeichen. Der ganze Verlauf des gottlosen Verbrechens ist bis in's Kleinste hinein auf einem Oelgemälde an der Seitenwand der Kapelle dargestellt.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 386.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagen, Märchen, Volksaberglauben
Sagen, Märchen, Volksaberglauben