621. Legende vom hl. Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen.

[392] Mündlich und nach einem alten Gebetbüchlein.


Vor mehreren hundert Jahren soll ein Hirte in des Dreifaltigkeitsberges Nähe sein Vieh gehütet haben. Da verlor er einige Stücke Viehes: sie hatten sich verlaufen. Der arme Hirt wurde deß erst Abends gewahr, suchte und schrie zwei Tage lang, aber vergebens. Endlich am dritten Tage kam er auf diesen abgelegenen, mit Wald bedeckten Berg. Er[392] mußte sich durch wildes Gestrüpp hindurcharbeiten und sah, o des Glückes! sein verloren Vieh hier weiden. Der Hirte fiel nieder auf seine Kniee, dankte Gott, daß er's wieder gefunden, machte in der Freude das Gelübde, ein Bild zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit zu schnitzen (damals sollen die Hirten die schönsten Schnitzarbeiten haben machen können). Dachte es an Ort und Stelle des glücklichen Fundes zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit aufzustellen und ein kleines Denkmal darauf zu pflanzen. Aber, o Wunder! über eine kleine Weile findet er an selbem Orte ein uraltes halbmorsches Bildstöcklein, mit Moos und Gesträuch überwachsen. Der erfreute Hirte säuberte es, und bald kam ein Bild der hl. Dreifaltigkeit hervor, wol und schön geschnizt. Gott Vater hatte seinen Sohn auf dem Schoos und Arme, zwischen Vater und Sohn schwebte der hl. Geist. Der Hirte wollte das Bild heim nehmen, that es aber nicht. Schmückte es auf jedmögliche Weise aus, machte ein schützend Hüttlein darüber und wallfahrtete immer dahin, in Freud und Leid, ohne Jemand die Sache zu entdecken, bis kurz vor seinem Tode. Die Pilger auf dem Berg mehrten sich immer, und bald erhob sich eine Kapelle. Das Bildstöcklein habe seinen Ursprung von den Rittern vom Schloß Baldenberg, das auf dem sog. Dreifaltigkeitsfelsen stand. Heute ist eine vielbesuchte Wallfahrt auf dem Berge.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 392-393.
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