625. Das Weggenthal.

[399] Mündlich.


Eine Viertelstunde hinter Rottenburg, westlich gelegen, ist die Wallfahrtskirche Weggenthal. Hier stand vor alten Zeiten ein Bildstöcklein mit dem Muttergottesbilde. Ein Bauer von Remingsheim kam Geschäftshalber nach Rottenburg. Der Weg führte am Bildstöcklein vorbei. Der Bauer dachte, das Bild gebe für seine Kinder zu Haus ein schön Spielzeug, nahm's heraus und ging mit heim. Des andern Morgens soll er nach dem Bilde sich umgesehen, es aber nimmermehr gefunden haben. Bald darauf ging er wieder gen Rottenburg und sah zu seinem Verwundern das Bild wieder am alten Platze. Nahm's abermals mit sich heim und sagte: »Ich will dir schon das Ausreißen verleiden; entweder mußt du meine Truchen hüten, oder Truchen müssen dich hüten. Will doch sehen, wer Meister wird.« Bauer nahm das Bild mit sich, sperrte es in eine Truchen, die da viele Schlösser hatte. Aber siehe, des andern Tages war das Bild halt wieder an seinem Orte. Bauer öffnete Morgens seine Truchen und fand zum großen Erstaunen kein[399] Bild mehr; eilt geschwind dem Bildstöcklein zu, wo er das Muttergottesbild fand, als ob er's gar nicht weggenommen hätte. Bauer wußte wahrhaftig nicht, was er dazu sagen und denken sollte, war ob dem Ereigniß immer mehr erstaunt. Er erzählte den Verlauf der Sache seinem Nachbar, dieser erzählte es wieder weiter, und so wurde die wunderbare Versetzung des Bildnisses in der ganzen Umgegend bekannt. Viele kamen aus Fürwitz, noch Mehrere aber aus Andacht zu dem Wunderbild. So beginnt der Anfang der Wallfahrt.

Alte Beschreibungen setzen vornehin folgenden Vers:


Als man zahlt 1500 Jahr und 17 ungefahr

Auf St. Urbanstag fürwahr

Thät Maria ihr Gnad herreichen

Am Steinles Haag mit großen Zeichen;

Gott gebs Allen den zu gut,

Die es haben in guter Huth,

Und es hand geben fein

Gott bhüt sie vor ewiger Pein323.

323

Stöber, els. Sag. S. 36. 57. Schnezler, bad. Sagenb. II. 5. (wiederkehrende Muttergottesbilder). Ein Gemälde zeigt uns dieser Geschichte ganzen Verlauf: es hängt in der Weggenthaler Kirche.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 399-400.
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